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richt gezogen werde. Er mußte 1633 nach Rom, und sich verhören lassen.
Die Untersuchung dauerte fast ein halbes Jahr; eine Zeitlang setzte man ihn
sogar ins Gefängniß, und endlich erfolgte das Urtheil: er solle vor den
Räthen der Inquisition knieeud die verfluchte Lehre von der Bewegung der
Erde abschwören, eine unbestimmte Zeit in den Kerkern der Inquisition ge¬
fangen sitzen, und drei Jahre hindurch einmal in der Woche die sieben Bu߬
psalmen beten. Als er die Abschwörungssormel hatte aussprechen müssen,
brummte er im Aufstehen vor sich hin: „Und doch bewegt sie sich!"
Das Gefängniß wurde ihm bald erlassen, und er auf ein Landgut ver¬
wiesen, wo seine Freunde und Gönner durch Beweise der innigsten Verehrung
ihm das Andenken an die erlittene Schmach zu verwischen suchten. Wirklich
bedurfte er dieser Aufmunterungen sehr, denn er litt auch körperlich. Schon
vor seiner Untersuchung in Rom hatte er das Gehör fast gänzlich verloren,
und nach derselben wurde er auch seines Gesichts beinahe beraubt; das eine
Auge erblindete ganz, und das andere sah nur wenig. „In meiner Finster¬
niß," — so schrieb er 1638 — „grüble ich bald diesem, bald jenem Gegen¬
stände der Natur nach, und kaun meinen rastlosen Kopf nicht zur Ruhe brin¬
gen, so sehr ich es auch wünsche. Diese immerwährende Beschäftigung meines
Geistes benimmt mir fast gänzlich den Schlaf, und schadet meiner Gesundheit;
es ist nicht genug, daß ich des Gesichts beraubt bin; meine Augen thränen
unaufhörlich, was mir unerträgliche Schmerzen verursacht." 1640 schwand
ihm auch das letzte Licht; die Augen, die so viel gesehen, so viel entdeckt
hatten, waren für immer geschlossen. Er starb endlich im 78sten Jahre 1642.
Zweite Periode.
Von dem Ausbruche des dreißigjährigen Krieges bis zu Friedrich dem
Großen. 1618 — 1740.
86. Der dreißigjährig e Krieg. — Ferdinand II. und
Ferdinand III.
1. Unruhen in Prag.
(Unruhen in Braunau und Klostergrab 1618. Heinrich Matthias von Thurn. Gewalt¬
that gegen die kaiserlichen Statthalter Martinitz und Slawata in Prag. Rüstungen der
böhmischen Stände.)
Es ist schon erzählt worden, daß Kaiser Rudolph den böhmischen Ständen
1609 den Majestätsbrief hatte ertheilen müssen, durch welchen sie das Recht
erhielten, neue Schulen und Kirchen anzulegen. Allerdings hatten bald darauf
die katholischen Stände eine Rechtsverwahrung eingelegt, daß jene Freiheit
sich nicht auf ihr Gebiet ausdehnen solle. Die Streitfrage lag nahe, ob jene
Stände gegen ein landesherrliches Privilegium sich verwahren durften. Nun
singen die Bürger der Stadt Braunau an, eine neue Kirche zu bauen;