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Nach dieser Schlacht erneuerte der bedrängte Ludwig wieder seine Frie¬
densanträge. Jetzt erntete er den Lohn für seinen frühern Uebermuth und
seine Treulosigkeiten; denn die Verbündeten freuten sich, ihn, der sonst ihnen
Gesetze vorgeschrieben und die Schwachen unterdrückt hatte, auch einmal in
der Noth zu sehen, und meinten, so lange Philipp V. noch in Spanien sei,
könnten sie Ludwigs Versprechungen nicht trauen; er habe sie schon zu oft ge¬
täuscht. Zuletzt erbot er sich gar, den Alliirten Hülfsgelder gegen seinen
Enkel zu zahlen. Aber das war diesen noch nicht genug, und so zerschlugen
sich die Unterhandlungen abermals.
Nun zeigte sich aber, wie Uebermuth und Härte immer seine Strafe
findet, auch bei den Verbündeten. Sie waren gegen Ludwig zu schonungslos
gewesen, und erkannten bald zu ihrem Schrecken, daß sie den günstigen Augen¬
blick, den Krieg ehrenvoll zu enden, versäumt hätten. Die Lage Ludwigs
änderte sich plötzlich zu seinem Vortheile, und zwar durch den Sturz der
Partei Marlboroughs. In England befanden sich, wie oben gesagt, seit der
Regierung Karls II. zwei Parteien, die Whigs und die Torys. Jene
strebten die Grundsätze und Rechte aufrecht zu erhalten, welche die freie eng¬
lische Staatsverfassung bildeten; diese dagegen hielten es mit der königlichen
Gewalt. Seit 1688 hatten die Whigs die Obermacht, und auch Marlbo-
rough gehörte dazu. Aber nach und nach drängten sich die Torys wieder an
die Königin, und die Lehre vom unbedingten Gehorsam der Unterthanen gefiel
ihr besser als die Freiheitsgrundsätze der Whigs. Dazu kam noch ein Pri¬
vatstreit. Die Königin Anna hatte schon als Prinzessin eine zärtliche Freund¬
schaft für die Herzogin von Marlborongh gefaßt, und diese ging so vertraut
mit jener um, daß sie dieselbe wie eine Schwester behandelte. Das hatte
die Herzogin übermüthig gemacht; sie hatte manchmal üble Laune gegen die
Königin gezeigt, war seltener als sonst zu Hofe gekommen, und hatte statt
ihrer der Königin ein armes, ihr verwandtes Fräulein, Abigail Hill, zur
Unterhaltung empfohlen. Diese aber vergaß bald die ihrer Wohlthäterin
schuldige Dankbarkeit. Nachdem sie einen Herrn Masham (spr. Mäschäm)
geheirathet hatte, suchte sie die Herzogin aus der Gunst der Königin zu ver¬
drängen; diese wurde kälter gegen die Marlborongh und endlich kam es
völlig zum Bruche. Nun wurden Marlborough's Freunde von ihren Aemtern
entfernt, und diese den Torys, seinen entschiedenen Feinden, gegeben, die zum
Frieden riechen, um den Herzog ganz entbehren zu können. Dieser litt bei
der Ungnade seiner so geliebten Frau unendlich viel. Das Bitterste für die¬
selbe war, daß sie alle ihre Hofämter abgeben mußte. Selbst ein Fußfall
konnte ihr diese Schande nicht ersparen; Anna war unerbittlich. Aber auch
hier zeigte sich, daß Unglück die Seele mehr erhöht und veredelt als Glück.
Als Marlborough seiner Frau erklärte, er wolle nun sogleich den Oberbefehl
niederlegen, stellte diese ihm vor, daß er höhere Pflichten gegen das Vater¬
land als gegen sie habe.
Kaum erfuhr Ludwig diese Veränderungen am englischen Hofe, als er
hier seine Friedensanträge erneuerte, die auch recht gut aufgenommen wurden.
Das Friedensgeschäft wurde durch den Tod des erst 33jährigen Kaisers Jo¬
hann I. 1711 bedeutend erleichtert; denn da sein Bruder Karl VI., 1711 —
1740, sein Nachfolger wurde, so besorgten die Verbündeten, Oestreich würde