70
denten erklärte. Wirklich kam es auch schon zu Feindseligkeiten, bei denen die
kaiserlichen Truppen den Kürzern zogen, und endlich wurde ihnen Jülich wie¬
der entrissen. Darüber starb Kaiser Rudolph. Die beiden Fürsten, die sich
in Besitz der Jülichschen Länder gesetzt, hatten sich indessen wieder veruneinigt,
und es drohte abermals ein innerer Krieg. Da kamen sie auf den vernünf¬
tigen Gedanken, durch eine Vermählung des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm
mit einer Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund allem Streite ein Ende
zu machen. Nur über das Heirathsgut war man noch nicht einig; darüber
wollte man 1613 auf einer Zusammenkunft in Düsseldorf sich besprechen.
Es war bereits Alles auf dem besten Wege, als eine Uebereilung des Kur¬
fürsten den Frieden wieder störte. Es entstand nämlich über der Tafel ein
Wortwechsel zwischen dem künftigen Schwiegervater und dem künftigen Schwie¬
gersöhne, der sich mit einer Ohrfeige endigte, die der Kurfürst dem Pfalzgra¬
fen gab. Dieser verließ den Saal im heftigsten Zorne, und reiste sogleich ab.
Um sich zu rächen, verband er sich mit der Liga, trat zur katholischen Kirche
über, und rief sogar die Spanier zu seinem Beistände ins Land. Der Kur¬
fürst dagegen bat die Holländer um Hülfe, und nahm, ihnen zu gefallen, den
reformirten Glauben an. Holländer und Spanier brachen nun in die blü¬
henden Rheinländer ein, und man mußte die blutigsten Auftritte zwischen ih¬
nen erwarten. Da legten sich England, Frankreich und die Union ins Mit¬
tel, und redeten den beiden streitenden Parteien zu, sich lieber zu vergleichen,
als das Land fremden Herren preiszugeben. Ihre Vorstellungen fanden Ein¬
gang; im Vergleiche zu Tanten (unweit Wesel) 1614 wurde bestimmt,
daß Cleve, Mark und Ravensberg an Brandenburg, dagegen Jülich, Berg
und Ravenstein an Pfalz-Neuburg fallen sollten. Mit Mühe brachte man es
endlich dahin, daß die holländischen und spanischen Truppen wieder abzogen.
Rudolph hatte seinen Bruder Matthias nie recht leiden können; aber seit
ihn derselbe zur Abtretung von Ungarn und Oestreich gezwungen hatte, war er
ihm ganz zuwider, und der Gedanke, daß Matthias ihm einst als König von
Böhmen, dem Lande, das ihm unter allen am liebsten war, folgen sollte, war
ihm unerträglich. Der einzige seiner Verwandten, dem er zugethan war, war
der Erzherzog Leopold, sein Vetter, Bischof von Passau und Straßbnrg,
und endlich beschloß er, diesem die Erbfolge von Böhmen und Schlesien zu¬
zuwenden. Um dies auszurichten, wollte er sich der List bedienen. Leopold
mußte unter der Hand Truppen werben. Diese brachen plötzlich 1610 in
Böhmen ein, und gingen gerade auf Prag los. Ganz Böhmen gerieth dar¬
über in Schrecken, und rüstete sich zur Gegenwehr, während die fremden Sol¬
daten sich in den Besitz der kleinen Seite von Prag setzten. Auch Matthias
drang sogleich in Böhmen ein, um die Passaner zu vertreiben. Nun wurde
dem Kaiser bange. Er ließ sie, ehe Matthias anlangte, wieder abziehen.
Aber damit waren die Böhmen und Matthias noch nicht zufrieden. Jene
bemächtigten sich des Schlosses, und besetzten es mit Wachen, so daß Ru¬
dolph nicht einmal in den Garten gehen konnte. Als Matthias ankam, sah
Rudolph wohl ein, daß er der Absetzung nicht entgehen könnte. Er berief daher
1611 einen Landtag, und erklärte: „aus brüderlicher Liebe zu Matthias
wünsche er, daß dieser jetzt schon zum Könige von Böhmen erklärt und ge¬
krönt werde." Das ließen sich die Stände gefallen, nachdem ihnen der neue