Full text: Mit einem kolorirten Kupfer (Theil 1)

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scheinung war es, daß ihre, kaum entstandne, 
und mit so hartem Kampf geschafne Kirche, be¬ 
sonders der Sächsische Flügel derselben, mehrere 
Dezennien hinter einander, vor allen Vernünf¬ 
tigen sich gleichsam an den gelehrten 
Pranger stellte; und zwar durch die ärgerlichsten, 
zum Theil eben so unnüzen als lächerlichen Strei- 
tigkeittn. Fast gieng es den damaligen Theolo- 
gen wie Jünglingen, die, stets unter klösterlicher 
Schnlzucht gehalten, auf einmal in den Sonnen¬ 
schein akademischer Freiheit treten. Der Wärme¬ 
stof, vorher ihnen so ganz unbekannt, thut wohl, 
entwickelt aber auch bald Uebermuth und Ungezo¬ 
genheit. 
Vor der Reformation mußte ieder Theologe 
lehren, wenn er wollte, auch glauben, was 
die Kirche glaubte. Und dabei befanden ftrf) die 
me sten, besonders wenn sie auf guten Pfründen 
sasen, recht wohl. Metaphysische und-theologi¬ 
sche Spizfindigkeiten fielen ihnen, die, gleich dem 
Körper, auch den Geist bequem gewöhnt hatten, 
entweder nickt ein, oder, wenn sie auch als Den¬ 
ker über ihre Brüder hervorragten, so kannten sie 
den allmächtigen Arm der Kirche nur zu gut, als 
daß sie es gewc tt hätten, mit neuen Meinun¬ 
gen oder mit Grübeleien an alten, öffentlich ge¬ 
gen sie aufzutreten. 
Wie durch einen Zauberschlag gab auf einmal 
die Reformation dem Geiste die Freiheit 
l>-es Forsche ns in der Schrift, des Unter- 
suchens und Besireilens aller, bisher für wahr ge- 
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