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Stand hinauf. Das Meer sendet immer von neuem seine volle,
breite Gewalt gegen die einzelnen Werften, um sie aus seiner
Bahn wegzuschieben. Der Erdhügel, der eine Zeit lang zitternd
widerstand, gibt nach; bei den unausgesetzten Angriffen bricht
ein Stück nach dem andern ab und schiefst hinunter. Die Pfosten
des Hauses, welche mit Vorsicht eben so tief in die Werften
eingesenkt wurden, wie sie darüber hervorstehen, werden ent¬
bleist; das Meer fasst sie, rüttelt sie. Der erschreckte Bewohner
des Hauses rettet erst seine besten Schafe hinauf auf den Boden,
dann flieht er selbst nach. Und es war hohe Zeit. Denn schon
stürzen die Mauern, und nur noch einzelne Ständer halten den
schwankenden Dachboden, die letzte Zuflucht. Mit furchtbarem
Siegerübermute schalten nun die Wogen im unteren Teile des
Hauses; sie werfen Schränke, Kisten, Betten, Wiegen mit wildem
Spiele durcheinander und reifsen endlich alles hinaus auf den
Tummelplatz ihrer Kraft. Immer weniger werden die Stütz¬
punkte des Daches. Ängstlich lauscht das Ohr, ob nicht das
Brausen des Sturmes abnehme, ängstlich pocht das Herz bei
jeder Erschütterung; immer ängstlicher drängen sich die Un¬
glücklichen zusammen. In der Finsternis sieht keiner das entsetzte
Antlitz des andern; im Donnergroll der tobenden Wogen ver¬
hallt das bange Gestöhne; aber jeder kann an seiner eigenen
Qual die marternde Angst seiner Lieben ermessen. Der Mann
presst das Weib, die Mutter ihre Kinder mit verzweiflungsvoller
Todesgewissheit an sich; die Bretter unter ihren Füssen werden
von der drängenden Flut gehoben, durch alle Fugen quillt das
Wasser. Da kracht ein Balken. Ein furchtbarer Schreckruf er¬
tönt! Der Dachboden senkt sich nach einer Seite, ein neuer
Flutenberg schäumt herauf, und im Sturmgeheul verhallt der
letzte Todesschrei. Die triumphierenden Wogen schleudern sich
einander Trümmer und Leichen zu.
Dennoch liebt der Halligbewohner seine Heimat, liebt sie
über alles, und der aus der Sturmflut Gerettete baut sich nirgends
sonst wieder an als auf dem Flecke, wo er alles verlor, und wo
er in kurzem wieder alles und sein Leben mit verlieren kann.
Biernatzky.
97. Das kleinste Vaterland.
Es ist das kleinste Vaterland der grössten Liebe nicht zu klein:
Je enger es dich rings umschliesst, je näher wird’s dem Herzen sein.
Wilh. Müller.
Dieses Dichterwort steht wie in Granit eingegraben in den
Herzen unserer Nordseeinsulaner. Jasper ist als Schiffsjunge
in ferne Weltgegenden gezogen; aber von Jahr zu Jahr trieb
es ihn zurück nach jenem Häuflein Erde mitten im Meere, wo
der sorgende Vater, die liebende Mutter weilten. Als er einstens