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6. Kaiser Justinian (527—565).
Um die Zeit der ostgothischcn Unruhen nach Thcodorich's
Tode herrschte in Constantinopcl Kaiser Justinian, unter wel¬
chem das griechische Reich einen ungewöhnlichen Glanz erhielt.
Er selbst zeichnete sich nicht durch große Eigenschaften aus; jedoch
besaß er die einem Herrscher nöthige Klugheit, sich mit den
fähigsten Männern seines Reiches zu umgeben, deren Verdienste
auf ihn zurückstralten. Dazu begleitete das Glück fast alle seine
Schritte. Seine kluge und entschlossene Frau Thodora, die
früher Schauspielerin und in Hinsicht ihrer Sitten übel berüchtigt
gewesen war, wußte sich eine unumschränkte Herrschaft über ihn
zu verschaffen und thätig zu seinem Ruhme mitzuwirken.
Unter seiner Regierung brach zu Constantinopel ein furcht¬
barer Bürgerkrieg aus. Im Circus oder in der Rennbahn, in
welcher zur Belustigung des Volkes Fechterspiele gehalten wurden,
hatten sich schon seit längerer Zeit zwei Parteien unter den
Kämpfern gebildet, die man nach der Farbe ihrer Kleidung die
Blauen und Grünen nannte. Das Volk nahm Partei für
die Banden der Kämpfer und bildete bald zwei gefährliche Par¬
teien des Staates, zumal da der Hof schwach genug war, sich
selbst für die eine oder andere Partei zu erklären. Aufruhr und
Mord füllten wiederholt die Straßen der Hauptstadt und legten
ihre schönsten Gebäude in Asche. Justinian selbst schwebte in
Lebensgefahr und wollte schon heimlich entfliehen, aber seine herz¬
hafte Frau hielt ihn zurück. Nur durch Ströme von Blut
wurde endlich die Flamme des Bürgerkrieges gelöscht, und die
Ruhe wieder hergestellt.
Nun erst konnte der Kaiser ernstlich an auswärtige Ero¬
berungen denken. Zuerst schickte er seinen tapferen Feldherrn
Belisar nach Nordafrika, um das vandalische Reich zu erobern.
Hier hatte Ge lim er den rechtmäßigen König des Landes, mit
Namen Hilperich, vom Throne gestoßen und in den Kerker
geworfen, sich selbst aber die Regierung angemaßt. Und als
Belisar in Afrika erschien, um den frechen Thronräuber zu be-