Full text: Erzählungen aus der römischen Geschichte

Hieb, biß aber die Zähne zusammen und ließ sich's nicht verdrießen; 
denn er dachte bei sich: „Fürchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du 
das Haus nimmermehr.“ 
3. Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie bei ihrem Vater 
wieder zusammen. Sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegenheit 
finden sollten ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und ratschlagten. 
Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Hase übers Feld dahergelaufen. 
„Ei,“ sagte der Barbier, „der kommt wie gerufen,“ nahm Becken und 
Seife, schaumte so lange, bis der Hase in die Nähe kãm. dann seifte er 
ihn in vollem Laufe ein und rasierte ihm auch im vollen Laufe ein Stutz⸗ 
bärtchen, und dabei schnitt er ihn nicht und tat ihm an keinem Haare 
weh. „Das gefällt mir,“ sagte der Vater, „wenn sich die andern nicht 
gewaltig angreifen, so ist das Haus dein.“ Es währte nicht lange, so 
kam ein Herr in einem Wagen dahergerannt in vollem Jagen. „Nun 
sollt Ihr sehen, Vater, was ich kann,“ sprach der Husschmied, sprang dem 
Wagen nach, riß dem Pferde, das in einem fortjagte, die vier Hufässen 
ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein 
ganzer Kerl,“ sprach der Vater, „du machst deine Sache so gut wie dein 
Bruder. Ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll.“ Da sprach der 
dritte: „Vater, laßt mich auch einmal gewähren!“ Und weil es anfing 
zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben über 
seinem Kopfe, daß kein Tropfen auf ihn fiel. Und als der Regen stärker 
ward und endlich so stark, als ob man mit-Mulden vom Himmel gösse, 
schwang er den Degen immer schneller und blieb so trocken, als säß er 
unter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte er und sprach: 
„Du hast das beste Meisterstück gemacht; das Haus ist dein.“ 
4. Die beiden andern Brüder waren damit zufrieden, wie sie vorher 
gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle 
drei zusammen im Hause und trieben ihr Handwerk. Und da sie so gut 
ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So 
lebten sie vergnügt bis in ihr Alter zusammen, und als der eine krauk 
ward und starb, grämten sich die zwei andern so sehr darüber, daß sie 
auch krank wurden und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt 
gewesen waren und sich so lieb gehabt hatten, alle drei zusammen in ein 
Grab gelegt. 
24. Dienertreue. 
Heinrieh Caspari. 
1. Ein reicher Herr in Polen fubhr zur Winterzeit in einem Schlitten 
nach dem Städtlein Ostrowo, nur u seinem Knechte Jakob begleitet, 
e vorreiten mubte. Ehe sie die Stadt erreichten, mubten 
sie dureh einen langen, einsamen Wald, und es war bereits Abend. Der 
Knecht schlug daher dem. Herrn vor, in einer Herberge, die am LRin- 
gange des Waldes lag, zu übernachten; denn im Malde seien viele 
Wõlfe, und die Untiere seien jetzt gar grimmig, weil der Winter so
	        
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