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Darüber hatte Krösos noch größere Freude, denn er hoffte,
ein Maulthier würde nimmer König werden über die Meder,
und weder er noch seine Nachkommen würden das Königreich
verlieren.
Nun brach er auf und führte sein Heer über den Fluß
Halys, Kyros aber sammelte seine Schaaren und zog ihm ent¬
gegen. Es kam zur Schlacht, von beiden Seiten sanken Viele,
doch blieb der Sieg unentschieden. Krösos zog nach Sardes
und entbot dahin seine Bundesgenossen für den nächsten Früh¬
ling. Kyros ließ ihm jedoch keine Zeit dazu, sondern zog auch
nach Sardes. Obschon Krösos in große Angst und Noth gerieth,
führte er doch die Lyder in den Streit; sie stritten zu Roß und
hatten lange Svieße, und waren sehr geschickte Reiter. Krösos
stellte sie in der großen Ebene vor der Stadt auf, und als Kv-
ros sie zum Kampfe gerüstet sah, ward ihm bange vor ihrer
Reiterei. Er stellte daher auf den Rath des Harpagos alle
seine Kameele voran, und gab noch den Befehl, das Leben des
Königs zu schonen. Als der Kampf begann, wendeten sich die
Rosse der Lyder zur Flucht, denn das Pferd kann weder den
Anblick noch den Geruch des Kameels ertragen. Die Lyder
sprangen von ihren Pferden und drangen zu Fuß auf die Perser
ein. Da nun von beiden Seiten Viele gefallen waren, wurden
zuletzt die Lyder in die Flucht geschlagen. Hierauf wurden sie
in ihre Stadt eingeschlossen und belagert. Am vierzehnten Tage
erstiegen die Perser die Mauer an einer Stelle, die man für
unüberstciglich gehalten und deshalb nicht mit Wachen versehen
hatte, eroberten und verwüsteten die Stadt. Sogar Krösos kam
in Lebensgefahr, denn ein Perser, der ihn nicht kannte, drang
auf ihn ein und wollte ihn tödten. Als aber des Königs Sohn,
der bis dahin stumm gewesen war, den Perser aus seinen Vater
losgehen sah, lösten Furcht und Angst seine Zunge, und er sprach.
„Mensch, tödtc den Krösos nicht!" Das war sein erstes Wort,
und seitdem konnte er reden sein Leben lang. So war denn
das Orakel in Erfüllung gegangen, daß Krösos einst über diesen
Sohn erhalten hatte:
„Lyder, wiewohl ein gewaltiger Fürst, doch thörichten Herzens,
Sehne dich nicht zu vernehmen in deinem Palast die erflehte
Stimme des sprechenden Sohns. Das wird traun besser dir frommen;
Wisse, er redet zuerst an den: unglückseligsten Tage!"