Full text: Erzählungen aus der griechischen Geschichte (Theil 1)

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und im Tode an Homeros einen Herold seines Ruhmes gefun¬ 
den habe. Schon als Knabe zeigte er eine glühende Ruhmbe¬ 
gierde. Einst fragte man ihn, ob er nicht in den Wettspielen 
zu Olympia auftreten wollte. „Ja," sagte er, „wenn ich mit 
Königen um die Wette lausen könnte!" Wenn die Nachricht 
von einem Siege seines Vaters ankam, ries er schmerzlich aus: 
„Ach, mein Vater wird mir Alles voraus wegnehmen, und mir 
nichts mehr zu thun übrig lassen!" Einst wurde seinem Vater 
ein wildes Pferd, Bukephalos genannt, um den ungeheueren 
Preis von dreizehn Talenten zum Kauf angeboten. Die besten 
Reiter versuchten ihre Kunst daran, allein es ließ keinen auf- 
sitzen, und Philipp befahl endlich, das Pferd als unbrauchbar 
wegzusühren. Da erbat sich Alexander von seinem Vater die 
Erlaubniß. noch einen Versuch zu machen. Er ergriff es beim 
Zügel, führte es gegen die Sonne, weil er bemerkt hatte, daß 
cs sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete, streichelte es eine 
Zeit lang, ließ dann unvermerkt seinen Mantel fallen und 
schwang sich darauf. Sogleich flog das Pferd blitzschnell davon 
und alle Zuschauer zitterten für Alexander. ,Als sie abersahen, 
daß er wieder umlcnkte und das Roß nach Willkühr bald rechts, 
bald links tummelte, erstaunten Alle und Philipp rief mit Freu- 
denthränen, indem er ihn umarmte: „Mein Sohn, suche dir 
ein anderes Königreich, Macedonien ist für dich zu klein!" 
Achtzehn Jahre alt focht er mit in der Schlacht bei Chä- 
ronea und im einundzwanzigsten Jahre ward er nach dem Tode 
seines Vaters König von Macedonien (336). Alexanders Plan 
war, an der Spitze der Griechen das große Persische Reich zu 
zerstören und an den Persern für ihre früheren Einfalle in 
Europa Rache zu nehmen. Er ging nach Korinth und ließ 
sich hier, wie sein Vater, zum Oberfeldherrn der Griechen gegen 
die Perser ernennen. Die Griechen, welche sich nach dem Tode 
seines Vaters zu befreien und mit dem Knaben Alexander, wie 
sie ihn nannten, leicht fertig zu werden hofften, mußten sich ihm 
unterwerfen. 
In Korinth lernte Alexander auch den Weisen Diogenes 
kennen, der den Grundsatz des Sokrates, so wenig als möglich 
zu bedürfen, so weit ausdehnte, daß er sich bei den Griechen 
lächerlich machte. Er ging mit ungeschorenem Barte, mit einem 
schmutzigen und zerrissenen Mantel, ohne Sohlen, einen Bettel¬
	        
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