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hatte. Ferner wurde im Jahre 1517 das Feuerschloß an Schießgewehren
erfunden; bis dahin bediente man sich zum Abfeuern brennender Lunten
oder auch eines Rades, wie man noch an den alten Feuergewehren in
Zeughäusern sehen kann. Hölzerne Blasebälge wurden zuerst in
Nürnberg verfertigt. Eine der nützlichsten Erfindungen dieses Zeitalters
war wohl das Stricken, dessen Urheber unbekannt ist; merkwürdig ist,
daß sich anfangs nur Männer damit beschäftigten. Der Steinmetz Jürgens
zu Watemmüttel, einem Dorfe bei Braunschweig (nach Anderen in Nürn-
berg wohnhaft), erfand für das Spinnen das Tretrad; um das Jahr
1550 wurde in England der Strumpfwirker st uhl und beinahe zu
gleicher Zeit eben daselbst die Stecknadel erfunden, statt welcher man
bisher hölzerne Stistchen anwandte.
Die Kutschen sollen im vierzehnten Jahrhunderte zuerst in Ungarn
gebraucht worden sein; von hier kamen sie zu Ende des sechzehnten Jahr¬
hunderts nach England. Wenn die Königin Elisabeth reiste, oder bei
öffentlichen Gelegenheiten dem Volke sich zeigte, war sie zu Pferde und
alle Herren und Damen vom Hofe begleiteten sie zu Pferde. Auch die
seidenen Strümpfe kamen jetzt erst auf; die ersten trug König Hein¬
rich II. von Frankreich. Viele neue Genüsse lieferte Amerika, z. B.
Chokolade, die in Spanien verfertigt und bald in alle europäische Länder,
freilich um hohe Preise, verkauft wurde. Den Tabak brachte der fran¬
zösische Arzt Ni cot und das Rauchen wurde bald allgemein; schon der
Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen beklagte sich in seiner Ge¬
fangenschaft über den Tabaksqualm, den die spanischen Soldaten machten,
die in seinem Vorzimmer Wache hielten.
Wohlthätiger war das Geschenk der Kartoffel, welches die Europäer
dem neuen Welttheile verdanken; der englische Seefahrer Franz Drake
brachte diese nahrhafte Erdfrucht um's Jahr 1586 nach England. In diese
Zeit fällt auch die Erfindung des Branntweins, welcher anfangs nur
als Arznei diente und erst später zum Verderben der Völker, insbesondere
der arbeitenden Klassen, als tägliches Getränk, gleich Bier und Wein,
gebraucht wurde. Der Branntwein war eines der ersten Erzeugnisse einer
erst im Keimen begriffenen Wissenschaft, der Chemie, die in ihren Anfängen
unter gar wunderlicher Gestalt auftrat. Der merkwürdige Aberglaube vom
Stein der Weises, welcher das sechzehnte bis siebzehnte und selbst das
achtzehnte Jahrhundert hindurch sich erhalten hat, ist Veranlassung zu der
jüngsten unserer Erfahrungswissenschaften geworden. Denn Alchemie ist
unstreitig die Mutter des jetzt so viel gepflegten und so folgenreichen
Studiums der Chemie.
Berühmt war als Chemiker Philippus Aureolus Theophrastus
Bombasins von Hohenheim, genannt Paracelsus Eremita, der bei
allem geheimnißvollen Treiben, mit welchem er sich selbst und die Welt
täuschte, doch große Verdienste um die Naturkunde und Arzneimittellehre
sich erwarb. Er verwarf die von Arabern und Griechen überlieferte