Full text: [Neuere Geschichte] (Theil 3)

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hen, um daselbst unter dem Namen der Gesellschaft Jesu ihre Wirk¬ 
samkeit zu beginnen. 
Sie begaben sich vorerst nach Italien, um in Rom von dem Papste 
Paul III. die Bestätigung der neuen Verbrüderung zu erbitten (1540). 
Loyola wurde zum General des Ordens ernannt, der im Jahre 1541 
schon 60 Mitglieder zählte, von Jahr zu Jahr zunahm und bei des Stifters 
Tode (1556) schon über 1000, im Jahre 1608 10,000 Mitglieder zählte. 
Die Reise nach Palästina unterblieb; dafür wurde die nächste Bestimmung 
des Ordens die Bekehrung und Ausrottung der Ketzer. Die Jesuiten soll¬ 
ten hierin der Inquisition an die Hand gehen. Unter Paul IV. erhielt 
der Orden seine genauere Einrichtung: Loyola's Nachfolger als Gene¬ 
ral, Jakob Lainez, ein scharfsichtiger und weltkluger Mann, machte 
aus dem Orden, woran Loyola gewiß nicht dachte, eine Gesellschaft, welche 
durch Gelehrsamkeit, feine und gefällige Sitten und eindringliche Beredt- 
samkeit sich einen entscheidenden Einfluß auf die gesummte Christenheit ver¬ 
schaffen sollte. Daß aber der Orden schnell und außerordentlich anwuchs, 
erklärt sich 1) aus den großen Rechten und Freiheiten, die er durch die 
Päpste erhielt; 2) aus der eigenthümlicheu Einrichtung des Ordens, als 
wohlgesügtes, unzertrennbares, bis in die kleinsten Theile auf strenge Sub¬ 
ordination gegründetes Ganze; 3) durch die in ihm sich entwickelnde, ge¬ 
fährliche und gewissenlose Moral „von dem Zweck, der die Mittel heiligt", 
und von dem geistigen Rückhalt, d. h. von der geduldeten und ge¬ 
rechtfertigten Wortbrüchigkeit, die nothwendig jedes gesunde Gefühl zer¬ 
stören mußte, da, wo sie einmal Wurzel faßte; 4) endlich durch den Ein¬ 
fluß des Ordens auf den Volksunterricht, dessen die Väter Jesu sich im 
Laufe der Zeit fast überall bemächtigten, und ihn nach ihrem System, 
d. h. als strenggebannte Buchstabenlehre ohne Geistes- und Gedankenbil¬ 
dung, im Dienste des Hierarchenthums zurichteten. Das Verderbliche des 
jesuitischen Erziehungssystems lag vorzüglich darin, daß die Einwirkung 
sich mehr auf die unlauteren Triebe und Neigungen der Menschen, auf 
Selbstsucht, Eigendünkel und leidenschaftlichen Ehrgeiz bezog, statt das 
weiche, empfängliche Herz der Jugend für das Schöne, Große und Gute 
zu begeistern. Heimliche Ueberwachung und Angeberei zerstörte Vertrauen 
und jugendliche Freundschaft, das reinste und edelste Gut der jungen, bil¬ 
dungsfähigen Seelen, während die Unterweisung selbst mehr ein „Abrichten 
als Unterrichten" genannt werden darf. 
Wahr ist es, daß „wer sich der menschlichen Schwächen und Fehler 
zur Erreichung seines Zweckes bedient, sicherer geht, als wer sich auf Tu¬ 
gend und Edelmuth verläßt." Wo aber diese bequeme Moral hinführt, 
das ist eine andere Frage. Die Jesuiten waren in der Folge fast überall, 
wo sie sich ernstlich festsetzten, — und wo thaten sie das nicht? — ein 
schleichendes Gift, eine langsam zehrende Krankheit im Innersten des Volks¬ 
lebens. Uneinigkeit und Verderben folgten ihren geräuschlosen Schritten.
	        
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