6. Solon von Athen.
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Die neuen Gesetze wurden auf der Akropolis zu Jeder¬
manns Einsicht aufgestellt. Sie waren auf drei - und vierseitigen
Holzpfeilern von pyramidaler Form (a'^oveg xal xvgßeig) ge¬
schrieben, welche man um ihre Are drehen konnte.
Solons Gesetzgebung wird allgemein als ein Werk großer
politischer Weisheit anerkannt, sie ist, den damaligen Zuständen
angemessen, eine weise Mischung aristokratischer und demokrati¬
scher Elemente, und erst den späteren Geschlechtern ist es Vorbe¬
halten, aus ihr die demokratischen Elemente zur Entfaltung und
zur Herrschaft zu bringen. Er selbst sagt von seinem Werke:
„Ich ertheilte dem Volk, soviel an Macht ihm gebühret,
Nicht zu viel der Ehr' gab ich, zu wenig ihm nicht.
Aber die Einfluß hatten und die hoch ragten durch Reichthnm,
Denen sollte mir auch nimmer zu nahe geschehn.
Und ich stand und deckte mit mächtigem Schilde die beiden,
Keinem Theile den Sieg gönnte ich wider das Recht."
Aber „allen in wichtigem Thun Gnüge zu leisten ist schwer".
Die zunächst Betheiligten waren wenig zufrieden mit den neuen
Einrichtungen; die Einen glaubten zu viel eingebüßt, die Andern
zu wenig gewonnen zu haben. Um dem Tadel und den Vor¬
würfen, dem Anfragen und dem Verlangen nach Aenderung die¬
ser und jener Verordnung aus dem Wege zu gehen, begab sich
Solon von Neuem auf Reisen, nachdem er die Athener durch
einen Eid verpflichtet hatte, 10 Jahre lang sich seiner Gesetze
ohne Aenderung zu bedienen.
Er ging zuerst nach Aegypten und lebte dort eine Zeitlang
im Verkehr mit dem König Amasis und mit den gelehrten Prie¬
stern Psenophis von Heliopolis und Sonchis von Sais. Hierauf
schiffte er nach Kypros zu dem König Philokypros, dessen
Freundschaft und Achtung er sich in hohem Grade erwarb. Die
Stadt des Philokypros, Aipeia (die Hohe), lag auf einer rauhen
Anhöhe von schlechtem Boden. Solon bewog ihn, die Stadt in
die fruchtbare Ebene am Fuße der Anhöhe an das Ufer des
Stoll, Die Helden Griechenlands. 0