Full text: Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

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Deutschland und Italien sinken. 
Ln der Gefangenschaft gestorbenen Grafen Veit, mit Flandern, behielt 
jedoch die Städte Lille, Douai, Orchies und Bethune, welche ihm bis 
zur Ersetzung der Kriegskosten als Pfand übergeben wurden, auch nach¬ 
her treuloser Weise zurück, ohne daß die Fläminger sie ihm wieder zu 
entreißen vermochten. 
Auf ähnliche Weise vergrößerte er seine Macht im südlichen Frank¬ 
reich; er zwang den Fürsten von Montpellier, einen aragonischen Prin¬ 
zen, ihn als seinen unmittelbaren Lehensherrn anzuerkennen, und 1313 
unterwarf er auch Lyon seiner Herrschaft. Ueber diese wichtige Stadt 
und die von ihr benannte Grafschaft hatte Friedrich I. Barbarossa als 
König von Arelate den Lyoner Erzbischof zu seinem ewigen Statthalter 
eingesetzt; allein der gänzliche Verfall der kaiserlichen Macht und Streitig¬ 
keiten des Erzbischofes mit der Stadt, sowie mit dem Grafen von Forez 
gaben schon Ludwig IX. Gelegenheit, die Rolle eines obersten Richters 
zu übernehmen, und Philipp IV. erzwang 1313 vom Erzbischof wie von 
der Stadt die Huldigung mit Waffengewalt. Wie er mit Hilfe des 
Papstes den Templerorden vernichtete, ist bereits (S. 217 u. 255) erzählt; 
da andere Monarchen dessen Güter verwandten Orden übergaben, so 
überließ auch Philipp IV. den Johannitern das Grnndeigenthum des 
Templerordens, aber erst nachdem er auf dasselbe eine ungeheure Schul¬ 
denmasse kontrahiert hatte, welche nun die Johanniter als Zugabe mit 
hinnehmen mußten. Philipp IV., der durch wiederholte Ausmünzung von 
schlechtem Gelde mehrere Ausstände veranlaßt, auch die Juden einige- 
male gebrandschatzt hatte, starb 1314. 
Ludwig X. (1314-1316). Philipp V. (1316-1322). Äart IV. (1322-1328). 
Seine Söhne und Nachfolger Ludwig X. (1314—1316), Phi¬ 
lipp V. (1316—1322), Karl IV. (1322—1328) handelten in dem 
Geiste ihres Vaters; dieser hatte das Parlament als obersten königlichen 
Gerichtshof in Paris errichtet und dafür gesorgt, daß Näthe aus den 
Provinzen, welche deren Rechte kannten, darin saßen; weil hier die Ent¬ 
scheidungen schneller folgten und weniger kosteten, so kamen auch die 
wichtigsten Prozesse vor dieses Tribunal des Königs. Durch die General- 
staaten (die drei Stände) ließ sich der König Steuern bewilligen; die 
Geistlichkeit verlor ihren Einfluß auf das Parlament immer mehr, und 
der König bezog von ihr den zehnten Theil der Einkünfte. Ebenso ver¬ 
drängte er die verschiedenen Münzrechte, so daß es in Frankreich nur 
mehr königliches Geld gab. Wie ganz anders stand die Königsmacht da 
als in Deutschland! Kein Wunder, daß die Franzosen bereits daran 
dachten, die Kaiserkrone an sich zu bringen und die vorherrschende Macht 
in Europa zu werden. Dieses schien um so erreichbarer, weil die Anjous 
in Neapel, trotz des Verlustes von Sicilien, ihre Herrschaft über Jta-
	        
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