Object: Bilder von den deutschen Nordseeküsten und aus dem westlichen Tiefland (Bd. 10)

376 Die Ufer der Leine und Aller. 
Kämpfen zwischen Kaiser Konrad I. und dem Herzog Heinrich von Sachsen, 
dem späteren Kaiser Heinrich I., Erwähnung geschieht. Die Entwickelung zu 
einer Stadt verdankt es wohl zweifellos der Nähe des berühmten Gaugerichts 
auf dem Leineberge und der Pfalz Grona. Die gunstige Lage an einer der 
bedeutendsten Handelsstraßen, welche von der Nord- und Ostsee nach dem Süden 
Deutschlands und nach Italien führte, trug später zu der blühenden Entfaltung 
im Mittelalter wesentlich bei. Zur Zeit der Hansa war Göttingen ein ange- 
sehenes Glied in der Kette dieses Städtebundes. Die Wollenweberei Göttingens 
stand damals in höchster Blüte (800 Weber), und ihr Ruf drang selbst bis in 
den fernen Osten, bis nach Nishnij-Nowgorod hinaus. Diesen blühenden Wohl- 
stand vernichtete jedoch der Dreißigjährige Krieg auf 200 Jahre. Erst die 
Gründung der Universität im Jahre 1734 und die Eröffnung derselben 1737 
unter dem König und Kurfürsten Georg II. von England und Hannover führte 
eine neue Epoche einer glänzenden Entwickelung der Stadt herbei. Gegen Ende 
des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts war Göttingen unbestritten die 
berühmteste Universität der Welt; denn Männer von dem Weltrufe eines 
Kästner, Lichtenberg, Pütter, Haller, Heyne, Blumenbach, Gauß u. a. wirkten 
gleichzeitig an der mit. allen Hilfsmitteln reich ausgestatteten Hochschule. Im 
Jahre 1823 hatte die Anzahl der Studierenden die Höhe von 1547 erreicht. 
Das Hinsterben dieser großen Männer und vor allem der politische Konflikt, 
in welchen die Revolution von 1831 die Universität mit hineinzog, legte den 
Grund zu einem neuen Verfall der Stadt und Universität, der erst wieder 
neuen blühenden Verhältnissen nach der Einverleibung Hannovers in den 
preußischen Staat im Jahre 1866 weichen mußte. Bis zu dieser Stunde hat 
sich seit Jahren die Frequenz der Universität auf der Höhe von ca. 1000 
Studenten erhalten (Einwohnerzahl 19 963). 
Auch in die Annalen der Poesie ist der Name der Stadt und die Universität 
verzeichnet und zwar durch den „Göttinger Dichterverein" oder „Hain- 
bund". Er bestand meistens aus jungen Dichtern, die in Göttingen ihrer 
Studien wegen weilten, wo Heinrich Christian Boie (geb. 1744, gest. 1806 
zu Meldorp in Schleswig) den ersten deutschen Musenalmanach von 1770 bis 
1775 herausgab. Dadurch angezogen, sammelten sich um diesen Voß, Hölty, 
die beiden Stolberg, Miller und einige andre, und traten am 12. September 
1772 zu einem Bunde zusammen, der sich zur Aufgabe stellte, für Religion 
und Vaterland, Freundschaft und Tugend durch freien deutschen Sang zu leben 
und zu wirken. Klopstock, um den sie, nach Goethes Wort, „im Glauben und 
Geiste versammelt waren", galt dabei als ihr höchstes Vorbild. Mit der 
innigsten Verehrung hingen sie an ihm, ihn feierten sie in ihren Versammlungen, 
ihn ließen sie leben beim schäumenden Becher, wobei auch mitunter Goethe, 
Lessing und Herder ein feuriges Hoch ausgebracht ward. Wieland dagegen war 
seiner Leichtfertigkeit und Sinnlichkeit wegen Gegenstand ihrer Verachtung, sein 
Bildnis ward verbrannt, sein Einfluß auf das entschiedenste bekämpft. So war 
dieser Bund die „beste Pflanzschule Klopstocks", durch die sein Geist in die 
Dichtung mehr und mehr hineingepflanzt und in manchem lieblichen Liede der 
Nation zugeführt wurde. Die feurigste Begeisterung schwellte den Strom des 
Liedes, der aus gemütlich-innigem poetischen Streben floß. Der Charakter der 
hier gepflegten Poesie war vorherrschend lyrisch.
	        
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