Rußland von der Mongolenherrschaft bis auf Peter den Großen. 191
Neuntes Kapitel.
Der große nordische Krieg (1700—1718).
Rußland von der Mongolentierrschast bis auf Peter dm Großen (1477—1689).
Zu gleicher Zeit, als Eugen und Marlborough den Herrscher in
Versailles so sehr demüthigten, verdiente ein Fürst im äußersten Europa
den Namen des Großen, Zar Peter von Rußland, denn er machte
sein Volk groß, das bisher kaum beachtet war.
Rußland litt durch die Mongolenstürme unter allen europäischen
Staaten am meisten und längsten; denn die Herrschaft der asiatischen
Horden dauerte bis über die Mitte des 15. Jahrhunderts hinaus, wäh¬
rend die Großchane der goldenen Horde (Reich Kiptschak) es nicht hin¬
derten, wenn ihre russischen Vasallenfürsten unter einander selbst Krieg
führten oder an den Lithauern, den Schwertbrüdern ic. ihre Kraft ver¬
suchten. Im 14. Jahrhundert erhob sich der Fürst von Moskau all-
mählig zum Range des Großfürsten, wodurch Moskau zum nationalen
Mittelpunkte des russischen Volkes wurde. Mehr als einmal wagten es
die Großfürsten, dem Großchane zu trotzen, dem andererseits die Chane
der Krim, von Astrachan, Kasan und Sibirien manchmal feindlich ge-
genüberftanden, aber erst Iwan III., Wasiljewitsch, verweigerte
1477 den Tribut geradezu und schlug den Angriff der letzten Großchane
1480 zurück. Er vereinigte das Fürstenthum Twer mit Rußland, unter¬
warf die Handelsrepublick Nowgorod mit ihrem großen Gebiete, deß-
gleichen Pskow (Pleskow) und Wjätka, eroberte das nördliche Sibirien
bis an den Obi, entriß den Lithauern und Polen mehrere Landschaften,
die ehemals zu Rußland gehörten, wurde aber bei seinem Angriffe auf
Livland von den Schwertbrüdern gänzlich geschlagen. Er zuerst nannte
sich Selbstherrscher aller Reußen (den byzantinischen Kaisertitel „Auto-
krator" nachahmend), nahm den gekrönten byzantinischen Doppeladler
als Wappen und betrachtete sich als eigentlichen Erben des byzantini¬
schen Reichs, weil seine Gemahlin Sophia eine byzantinische Prinzessin
war. Dieser zweite Gründer der russischen Macht starb 1505; sein Sohn
Wasiljei (Basilius) IV. (1505—1534) vereinigte das Fürstenthum
Rjäsan mit Rußland, entriß den Polen Smolensk und Severien (süd¬
lich von Smolensk) und machte das Chanat Kasan tributpflichtig.
Iwan IV., Wasiljewitsch, der Schreckliche (1534—1584), war bei
dem Tode seines Vaters erst drei Jahre alt, und während der eilf-
jährigen vormundschaftlichen Regierung wurde das Reich durch Aufstände
und Bürgerkrieg zerrüttet und von den Tataren und Polen angegriffen.
Als Iwan IV. die Zügel der Regierung mit eigener Hand ergriff, ver-