Full text: Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht (Theil 3)

Joseph II. stirbt. Belgien unterworfen. 
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Joseph II. stirbt (20. Februar 1790). 
Den Keim seiner Todeskrankheit brachte Joseph aus dem türkischen 
Feldzuge heim, und Kummer und Gram entwickelten denselben weiter. 
Anfangs Dezember 1788 erklärten die Aerzte seinen Zustand für sehr 
bedenklich; am 16. ließ er sich in der Burgkapelle vor einer zahlreichen 
Versammlung das Abendmahl reichen. Als er dem Altäre zuschritt, sagte 
er laut: „Vor dem hier gegenwärtigen Gott, den ich bald als meinen 
Richter erwarte, betheure ich, daß ich alles, was ich während meiner 
neunjährigen Regierung gethan, nur in der'Absicht angeorduet habe, 
das Wohl meiner Unterthanen zu befördern. Sollte ich gefehlt haben, 
so wird Gott in Rücksicht meiner Absicht und der menschlichen Schwäche, 
von der kein Sterblicher frei ist, mit mir Barmherzigkeit haben." Es 
besserte sich hieraus wieder mit seiner Gesundheit, der Sommer schien 
sie wieder herzustellen, aber mit dem Winter kehrte das Nebel in einer 
Stärke zurück, die seinen baldigen Tod herbeiführen mußte. Am 13. 
und 15. Febr. 1790 ließ er sich die Sakramente reichen und am 20. Febr. 
starb er im 49. Jahre seines Alters, im zehnten der Regierung in seinen 
Erblanden, trotz seiner Fehler der edelste Fürst des vorigen Jahrhunderts. 
Belgien unterworfen (November 1790). 
Dem Kaiser Joseph II. folgte sein Bruder Leopold, der sich als 
Großherzog von Toskana durch Menschenfreundlichkeit hohen Ruhm er¬ 
worben hatte. Auch Leopolds II. Aufforderung zum Gehorsam und sein 
Versprechen, die Verfassung unter Englands, Preußens und Hollands 
Bürgschaft wieder herzustellen, wurde von den belgischen Generalstaaten 
zurückgewiesen. Nun brach aber der Zwiespalt unter ihnen offen aus; 
die Freiwilligen weigerten sich anders als der Nation zu schwören, und 
ein Volksaufstand in Brüssel richtete sich ebenfalls gegen die sogenannte 
„Staatenpartei"; es war dieses Nachahmung der Franzosen, bei denen 
bereits die Rechte des Thrones, der Stände, des Adels wie der Geist¬ 
lichkeit, zertrümmert wurden. Die Armee war jedoch anders gestimmt 
als die Freiwilligen; die Staatenpartei ließ durch Schönfeld den Anfüh¬ 
rer der Demokraten, van der Mersch, festnehmen und vernichtete dadurch 
die Macht dieser Partei. Auch jetzt wollte man in Brüssel noch nichts 
von einer Unterwerfung unter den Kaiser wissen, denn die Stände rech¬ 
neten auf die Hilfe Preußens und Frankreichs; allein Lafayette, der 
damals in der Blüte seiner Popularität und Macht stand, wollte von 
einer Unterstützung der belgischen Staatenpartei, deren Hauptstärke in 
dem Adel und der Geistlichkeit ruhte, nichts wissen, und Preußen ließ 
Belgien fallen, als Leopold II. die Eroberungen über die Türken heraus¬ 
gab. Schon im Mai wurden die belgischen Truppen von einer öster¬ 
reichischen Heeresabtheilung nach Namur gejagt; es wurde jedoch beinahe
	        
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