Full text: Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht (Theil 3)

Aufhebung des Jesuitenordens. 
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keineswegs leicht, vorerst nur in friedlichen Verkehr mit den Wilden zu 
treten. Es gelang ihnen vorzüglich durch die Musik; wenn sie am 
Abende auf dem Kahne hin- und herfuhren und die heiligen Gesänge 
begleitet vom Schalle der Instrumente anstimmten, so kamen die Kinder 
der Wildniß herbei und lauschten den neuen Tönen; sie verstanden diese 
Sprache, sie fühlten es, daß die Männer des wunderbaren Sangs und 
Klangs Boten des Friedens seien. Nach der alten Mythe sänftigte Or¬ 
pheus Löwen und Wölfe mit dem Klange der goldenen Leier, am Pa¬ 
rana aber sammelten Priesterväter durch das heilige Lied wilde Men¬ 
schen um sich und führten sie zum geselligen Leben, zur Erkenntniß, zum 
Christenthume, zur Arbeit und wahrer Lebensfreude. Aber was kostete 
es nicht, bis der Wilde, der bisher seine Nahrung mit dem Pfeil ge¬ 
sucht, oder Würmer und Insekten aus dem Boden gescharrt hatte, wenn 
kein Fruchtbaum genießbare Speise bot, sich zur Arbeit mit Pflug und 
Spaten wenden, sich mit dem Geräthe des mannigfaltigen Handwerks 
beschäftigen mochte! Sonst war es sein höchstes Glück gewesen: recht 
zu schmausen, wenn seine Jagd glücklich ausgefallen war, sich in dem 
gegohrenen Wurzelsafte zu berauschen und in träumerischer Ruhe so lange 
zu brüten, bis ihn der Hunger zu neuer Anstrengung nöthigte; jetzt 
sollte er dem herumschweifenden Leben in den Wäldern, das trotz Mühe 
und Entbehrung durch seinen Reiz selbst Europäer verführt, entsagen, 
der Wildniß Ackerboden abgewinnen und denselben im Schweiße des 
Angesichtes bebauen. So viel vermochten die Väter; dieses Wunder 
schuf die Macht der christlichen Religion und die Aufopferung jener 
Jesuiten, welche den Wilden alles wurden: Väter, Mütter, Priester, 
Lehrer, Aerzte, Bauern, Handwerker. Hatte der Orden einen Stamm 
an sich gezogen und zum gesitteten Leben angeleitet, so zerstörte manch¬ 
mal ein wilder die neue Pflanzung, und noch öfter thaten es Raub- 
schaaren europäischer Abkunft, welche die Indianer wie wilde Thiere 
jagten, wenn sie dieselben nicht zu ihren Sklaven machen konnten. Doch 
die Jesuiten ermüdeten nicht, und als sie von der Krone Spanien das 
Recht ausgewirkt hatten, ihre Bekehrten mit Feuergewehren zu bewaffnen, 
waren die Niederlassungen gegen indianische und europäische Wilde ge¬ 
sichert; damit sie aber durch europäische Laster nicht angesteckt würden, 
waren sie für die Europäer verschlossen. Eine solche Niederlassung oder 
„Reduktion" wurde immer in einer schönen, fruchtbaren Gegend ange¬ 
legt. Inmitten des Dorfes, das 3000 bis 7000 Einwohner zählte, er¬ 
hob sich die Kirche, groß genug, um die Gesammtzahl aufzunehmen, 
und so schön geschmückt, als es der wachsende Wohlstand erlaubte. Aus 
der Flur wurde ein größeres Stück abgesondert, das der Gottesbesitz 
genannt und gemeinschaftlich angebaut wurde; aus dessen Ertrag wur¬ 
den die Abgaben an die Krone Spanien, die Ausgaben für den Gottes-
	        
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