Frankreich vor der Revolution.
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in das Leben; Ludwig sagte zwar: „Turgot und ich meinen es allein
mit Frankreich gut" aber die Königin, die Prinzen, der Hofadel, der
hohe Klerus vermochten so viel über ihn, daß er im Mai 1776 die Ent¬
lassung des Ministeriums annahm, als auch die Parlamente gegen das¬
selbe ihre Stimme erhoben. Der Genfer Bankier Neck er übernahm
nach Turgot das Finanzministerium und wußte durch Anlehen die Mit¬
tel zum Kriege gegen England, den der Minister des Aeußern, Ber¬
gen ne s, bei dem Könige durchsetzte, leicht aufzubringen; da er aber
gleichfalls auf Ersparungen drang und die Reorganisationen Turgots
theilweise aufnahm, zudem einen Rechenschaftsbericht seiner Verwaltung
veröffentlichte und dadurch den finanziellen Zustand Frankreichs bloßlegte,
mußte auch er weichen und Frankreich verlassen (1781). Der neue Fi¬
nanzminister de Kalonne stellte durch schlaue Künste einen augenblick¬
lichen Kredit her und schaffte Geld zu nöthigen und unnöthigen Aus¬
gaben, aber die Herrlichkeit nahm bald ein Ende und de Kalonne mußte
dieselben Anträge wie Turgot machen. Um die Besteurung der Privi¬
legierten durchzusetzen, wurde auf den 22. Februar 1787 die Versamm¬
lung der Notabeln einberufen; sie bestand aus 144 Mitgliedern, die
dem Adel, dem Klerus, den hohen Staatsbeamten und Parlamenten an¬
gehörten, von den Städten waren sechs Abgeordnete darunter. Nun
mußte ein Deficit von 140 Millionen eingestanden werden; darüber und
als die Vorschläge von allgemeiner Desteurung eingebracht wurden, er¬
hob sich in der Versammlung ein solcher Sturm, daß de Kalonne sein
Amt abgeben und aus Frankreich fliehen mußte. Sein Nachfolger wurde
der Erzbischof von Toulouse, Lome nie de Brienne, welcher ihm in
der Notabelnversammlung am meisten zugesetzt hatte; aber als dieser
zwei neue Steueredikte durch das Parlament einregistrieren lassen wollte,
weigerte sich dasselbe und beharrte selbst gegen ein lit de justice auf
seinem Widerstande, ließ sich durch die Verweisung der Hauptsprecher
nach Tropes nicht einschüchtern, so daß der König zu einer Reform der
Parlamente schritt, die aber nie zu Stande kam. Der Streit war aus
dem Parlamente bereits auf die Nation übergegangen, Aufstände und
Feuersbrünste in den Provinzen verkündeten, daß die wilden Elemente
sich entfesselten, der drohende Staatsbankerott rückte näher, und der Kö-
nig war gezwungen, den Volksliebling Necker wieder in das Ministerium
zu rufen. Dieser drang trotz der Gegenwehr der abermals einberufenen
Notabeln und der wieder restituierten Parlamente mit seinem Anträge
auf eine allgemeine Ständeversammlnng durch, und der König
berief auf den 1. Mai 1789 300 Abgeordnete des Adels, 300 der Geist¬
lichkeit und 600 des dritten Standes nach Versailles ein.