Kap. 1. § 4. u. 5. Beginnende Verbreitung des Christentums. 3 
Christentum nicht mehr das äußere, auf dem Erbsegen ruhende Vorzugs¬ 
recht, sondern nur die innere geistliche Befähigung entscheidend sei. 
Nach achtjähriger Ruhe, während welcher die Muttergemeinde zu Jeru¬ 
salem mehr und mehr erstarkte, brach eine neue Verfolgung aus, die 
von dem König Herodes Agrippa I ausging und den Zeuqentod des 
Apostels Jacobus des Älteren veranlaßte. 
Von den drei Söhnen Herodes' des Großen war nämlich Archelaus nach zehnjäh. 
riger despotischer Regierung vom Kaiser Augustus nach Gallien verbannt, sein Gebiet 
aber zu Syrien geschlagen worden, und ein eigener Prokurator oder Landpfleger 
der zu Cäsarea seinen Sitz hatte, verwaltete es. Auch sein Bruder Herodes An¬ 
ti Pas (der Mörder Johannes' des Täufers) wurde nach Gallien verwiesen und sein 
Landesteil samt dem des kinderlos verstorbenen Philippus dem Herodes Agripp a l 
einem Enkel Herodes' des Großen und der Mariamne (dem Sohn des hingerichteten 
Aristobul, s. I 288), gegeben, der, als er nachher von den Römern auch den ehemaligen 
Anteil des Archelaus noch dazu bekam, nun Herr des ganzen von seinem Großvater 
beherrschten Reiches war und den Königstitel führen durfte. Kurz nach jener Ver¬ 
folgung, die er über die Christen verhängte, starb er einen schrecklichen Tod (Avostel- 
gesch. 12, 20—24). r ' 
(5.) Desungeachtet sollte bald darauf der Samen des Evangeliums weit 
über Judäas Grenzen hinausgetragen werden. Es wurde nämlich der 
Apostel Paulus, dessen Bekehrung selbst ein Wunder der göttlichen Gnade 
war, von dem Herrn insbesondere berufen, das Evangelium den Heiden 
zu bringen. Während die andern Apostel noch in Palästina zu wirken 
fortfuhren, durchzog Paulus auf drei Missionsreisen unter mannig¬ 
faltigen Gefahren und Verfolgungen Kleinasien, Macedonien und Griechen¬ 
land und stiftete allenthalben christliche Gemeinden, deren Glieder zum 
größten Teil aus dem Heidentum waren. 
Solche Erfahrungen bewogen denn auch die Apostelversammluna au °$e = 
lr0rn' 5^ °uf den Vorschlag des Petrus und Jacobus, zu dem 
förmlichen Ausspruch, daß den sich bekehrenden Heiden das Joch des mosaischen Ge¬ 
setzes nicht auferlegt werden solle. Dieser Beschluß wurde auch schriftlich ausaefertiat 
und zwar nn Namen aller Apostel und Altesten. Der darin enthaltene, von der 
Äpostelversammlung anerkannte Grundsatz, daß „auch den Heiden Buße zum Leben 
gegeben und der Eingang in das Reich Gottes einzig durch den Glauben an 
das Evangelium geöffnet sei, war also die älteste Unionsformel für Christen 
dem Judentum und aus dem Heidentum, bis allmählich - zum Teil noch zur 
Zeü der Apostel — bte innere Union für beide herbeigeführt wurde. 
Aber Paulus sollte das Zeugnis von Christo auch in der Hauptstadt 
der Welt ablegen. Bei seinem letzten Aufenthalt zu Jerusalem wurde er 
aus Veranlassung der ihm feindlichen Juden gefangen genommen, nach 
Cäsarea gebracht und dort zwei Jahre lang vom Landpfleger Felix fest¬ 
gehalten, bis er vor dem neuen Landpfleger Festus Gebrauch von seinem 
römischen Bürgerrecht machte und sich auf den Kaiser berief. Deshalb 
jD-<^Vr öu Schiff nach Rom gebracht, wo er während einer zweijährigen 
leidlichen Gefangenschaft die dort schon früher entstandene christliche Gemeinde 
ordnete und befestigte, was um so wichtiger war, weil bei dem dortigen 
Zusammenfluß so vieler Menschen aus allen Teilen der Welt das Christen¬ 
tum von Rom aus am leichtesten und weitesten nach allen Seiten der 
Welt hin konnte verbreitet werden. 
Still und geräuschlos trat das Christentum überall in die Welt ein 
und weil es sich anfangs noch zum Teil an das Judentum anlehnte und 
auch ehemalige Juden in jeder christlichen Gemeinde zu finden waren, so
	        
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