Full text: Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht (Theil 3)

74 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands re. 
nicht und er verband sich nun dafür mit der feindseligen Adelspartei, 
welche das Land bereits durch schauerliche Gerüchte über die Gefahr 
der schottischen Religion in Unruhe versetzte. Der Anschlag gelang 
jedoch nur halb; Marias Sekretär Riccio, ein Piemontese (kein jun¬ 
ger schöner Mann, wie man es gewöhnlich dargestellt findet), wurde vor 
ihren Augen ermordet, sie selbst gefangen und das Parlament durch 
Darnley aufgelöst; Maria entfloh jedoch und fand solche Unterstützung, 
daß ihre Feinde sich flüchten oder verbergen mußten. Den 19. Juni 
1566 gebar sie einen Sohn, den nachmaligen König Jakob I. von 
England, aber nun erzürnte sie die Puritaner dadurch, daß der Prinz 
nach katholischem Ritus getauft wurde, und im folgenden Frühjahre 
traten zwei Ereignisse ein, welche eine große Schuld auf die Königin 
warfen. Im Januar hatte sie sich mit Darnley wieder ausgesöhnt, aber 
derselbe wurde in der Nacht des 10. Februar mit seinem Landhause bei 
Edinburgh in die Luft gesprengt, während die Königin sich auf einem 
Balle in der Nachbarschaft befand. Der Thäter war Graf Bothwell 
und dieser entführte Marien (24. April) nach Dunbar und hielt sie zehn 
Tage gefangen, bis sie in die Heirath mit ihm einwilligte, die am 15. 
Mai vollzogen wurde. Mit dieser Heirath war Marias Schicksal ent¬ 
schieden, denn ob sie schuldig oder unschuldig an Darnleys Morde war, 
die Anklagen ihrer Feinde mußten durch das Benehmen der Königin in 
den Augen der Welt ihre Rechtfertigung finden. Der Adel ließ sich 
Bothwells Stellung nicht gefallen und verschwor sich gegen ihn und 
Marien, wie er es übrigens auch gegen frühere Könige gethan hatte, 
erzwang die Entfernung Bothwells und setzte Marien auf das Insel¬ 
schloß im Lochleven gefangen. Sie mußte der Regierung entsagen, ihr 
einjähriger Sohn Jakob wurde zum Könige ausgerufen und Lord 
Murray, ihr natürlicher, abgefeimter und ehrgeiziger Bruder, als 
Regent bestellt. Noch einmal (2. Mai 1568) gelang Marien die Flucht, 
ihre Anhänger sammelten sich um sie, wurden aber bei Langside ge¬ 
schlagen; sie flüchtete nach England, um bei ihrer Verwandten Elisabeth 
Schutz zu suchen. Diese freute sich, daß sie nun das Haupt der Katho¬ 
liken in Schottland und England (die Hälfte des englischen Volkes war 
noch immer der katholischen Religion zugethan) in ihrer Gewalt hatte, 
und hielt sie in Haft; sie wollte ihr den Prozeß als Ehebrecherin und 
Gattenmörderin machen, aber Maria verwarf als Königin ein fremdes 
Gericht. Zu ihrem Unglücke nahm der Lord Norfolk ihre Partei und 
verlor darüber das Leben auf dem Blutgerüste (1572). In den nörd¬ 
lichen Provinzen empörten sich die Lorde von Northhumberland und 
Westmoreland und proklamierten die katholische Religion und Marien 
als Elisabeths Thronerbin; sie unterlagen; Northhumberland entfloh zu 
den Schotten, wurde aber von ihnen ausgeliefert und starb auf dem
	        
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