288 Neue Geschichte. 2. Periode. Schweden und Rußland. 
die Schweden verlieren würden. Die Russen zählten an 80,000 
Mann, die Schweden kaum 20,000. Dazu kam, daß Karl einige 
Tage vor der Schlacht einen Schuß in den Fuß erhielt, der ihm 
einige Zehen zerschmetterte und er also nicht reiten, daher auch 
selbst nicht befehligen konnte. 
Am 8. Juli 1709 begann die verhängnißvolle Schlacht. 
Karl war selbst zugegen. Er saß auf einer Sänfte, die von zwei 
Pferden getragen wurde, und sein Adlerblick schweifte auf dem 
ganzen Schlachtfelde umher. So ging es in den dicksten Kugel¬ 
regen! Plötzlich stürzte das eine Pferd, von einer Kugel ge¬ 
troffen, zu Boden und die ihn begleitenden Gardisten mußten 
ihn nun weiter tragen. Aber auch dies dauerte nicht lange. 
Eine Stückkugel zerschmetterte die eine Stange seines Tragbrettes 
und er mußte sich nun mit seinem dickumwundenen Fuße zu 
Pferde setzen. Auch Czar Peter schonte sich nicht: eine Kugel 
war ihm durch den Hut gegangen, eine andere hatte ihm seinen 
Sattelknopf zerschmettert. Aber reiche Entschädigung erhielt er 
durch den herrlichen Sieg, den er erfocht. Ein schwedisches Re¬ 
giment nach dem andern mußte sich ergeben, und endlich begann 
eine allgemeine Flucht. Karl selbst warf sich mit Mazeppa in 
einen Wagen und eilte davon. Peter behandelte die gefangenen 
Generale mit großer Achtung. Sie mußten an seiner Tafel mit 
ihm speisen, und als ein russischer Offizier von Karl verächtlich 
sprach, warf er ihm einen ernsten Blick zu und sagte: „Bin ich 
nicht auch ein König, und wer bürgte mir dafür, daß nicht Karls 
Schicksal das meinige würde?" 
Mit dem Ueberreste seines Heeres kam Karl am folgenden 
Tage an den Dnepr. Mit Mühe überredete ihn Löwenhaupt, 
sich schleunig hinüber zu retten, und kaum war er auch mit nur 
169 Mann, meist Offizieren, nicht ohne Gefahr drüben, so er¬ 
schienen die Russen und nahmen vor seinen Augen Löwenhaupt 
mit fast dem ganzen schwedischen Heere gefangen. Was nun zu 
thun? — Zurück konnte und wollte Karl nicht. Da beschloß er 
denn, nach der Türkei zu gehen. Ein sonderbarer Entschluß! 
Aber gerade das Sonderbare zog ihn an. Er fand zwischen dem 
Dnepr und Bog eine ungeheuere Einöde, mit Gras und niedrigem 
Gesträuch bewachsen, weit und breit keine Spur von Menschen, 
nicht einmal ein Fußsteig zu sehen. In tiefer Stille setzten die 
Schweden ihren Weg fort. Jeder war mit der Vergangenheit 
und Zukunft beschäftigt. Dabei war nichts zu essen da. Die
	        
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