Luther in Worms. 
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stattlicher Herr von 21 Jahren, in wahrhaft kaiserlicher Pracht, 
und in zwei langen Reihen vor ihm saßen die Fürsten, Herzoge 
und Grafen des deutschen Reiches. Alle schauten Luther starr an, 
und mehr als 5000 Menschen, die in dem Saale und vor den 
Fenstern standen, Alle sahen nur auf ihn allein. Aber aus den 
Augen fast Aller sah er Bewunderung oder Zufriedenheit mit 
ihm strahlen, und viele der zunächst Stehenden munterten ihn auf, 
sich nicht zu fürchten vor Denen, die nur den Leib tödten könnten. 
Der Vicar des Kurfürsten von Trier, der das Wort führte, fragte 
ihn, ob er die Bücher, die aus dem Tische lägen, als die seinigen 
erkenne, und ob er widerrufen wolle? — Die erste Frage bejahte 
er; aber wegen der zweiten bat er sich Bedenkzeit aus, die ihm 
der Kaiser auch gewährte. 
Erst als er den Saal hinter sich hatte, athmete er wieder 
frei. Das sah er nun doch ein, daß es keine Kleinigkeit sei, so 
vor Kaiser und Reich zu stehen und seine Meinung zu verfechten; 
so schlimm hatte er es sich nicht gedacht. Aber schnell gab ihm 
der Gedanke an den Beistand Gottes, für dessen Wort er hier 
zu reden habe, neue Kraft, und er freute sich, als er schon am 
folgenden Nachmittag um 4 Uhr wieder zur Versammlung ab¬ 
gerufen wurde. Nachdem er zwei ganzer Stunden draußen hatte 
warten müssen, umdrängt von unzähligen Neugierigen, öffneten 
sich für ihn die Thüren und er trat ein. Schon brannten im 
Saale alle Kerzen und Fackeln. „Allergnädigster Kaiser, gnädigste 
Kurfürsten, Fürsten und Herren!" hob er an, „ich erscheine ge¬ 
horsam aus dem Termine, so mir gestern Abend angesetzt ist, und 
bitte durch Gottes Barmherzigkeit, Ew. Mas. und Gnaden woll¬ 
ten diese gerechte und wahrhaftige Sache, wie ich hoffe, gnädigst 
hören; und so ich aus Unverstand vielleicht einem Jeglichen seinen 
gebührlichen Titel nicht geben, oder mich sonst nicht nach Hof¬ 
gebrauch in Geberden erzeigen sollte, mir es gnädigst zu gut 
halten, als der ich nicht zu Hofe gewest, sondern immer im Kloster 
gesteckt bin und von mir anders nicht zeugen kann, denn daß ich 
in Dem, was von mir bishero mit einfältigem (aufrichtigem) 
Herzen gelehrt oder geschrieben worden, allein Gottes Ehre und 
der Christgläubigen Nutz und Seligkeit angesehen und gesucht 
habe." Dann redete er von seinen Büchern und von den darin 
enthaltenen Lehrsätzen, Alles in deutscher Sprache. Da erinnerte 
man ihn, der Kaiser verstehe davon nicht viel; er solle doch das 
mit lateinischen Worten wiederholen. Das that er auch, ob er
	        
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