Full text: Die neuere Zeit (Abth. 3)

Joseph's II. Selbstrcgierung. Der deutsche Fürstenbund. 
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Muth und Nachdruck Oesterreichs Stellung im politischen Systeme 
Enropa's gegen ihre Anfangs zahlreichen Feinde zu behaupten. Erst 
nach ihrem Tode konnte Joseph II. mit seinen Reform-Entwürfen 
hervortreten'. Nur war sein rascher Eifer für Alles, was er als 
gut erkannte, zu wenig durch Vorsicht gemäßigt. Am eingreifend¬ 
sten waren seine Neuerungen in den kirchlichen Angelegenheiten (To- 
leranzedict, Verleihung bürgerlicher Rechte an die Juden, Aufhebung 
der meisten Klöster, Beschränkung der Verbindung der Geistlichen mit 
Rom), welche ihn mit dem Papste Pius VI. entzweiten, der ihn auch 
durch einen persönlichen Besuch in Wien nicht bewegen konnte, diese 
Neuerungen aufzuheben, wenn auch in der Ausführung derselben 
manche Beschränkung eiutrat. Doch vor seinem Tode widerrief er 
alle seine Neuerungen, die Aufhebung der Leibeigenschaft und das 
Toleranzedict ausgenommen. 
Seinen Lieblingsplan, Baiern zu erhalten und dadurch seine 
Staaten im W. abzurunden, gab Joseph nicht auf und schlug des¬ 
halb dem Kurfürsten Karl Theodor vor, Baiern an Oesterreich ab¬ 
zutreten, und dafür die entfernten österreichischen Niederlande unter 
dem Titel eines Königreichs Burgund zu nehmen. Der Kurfürst 
willigte in diesen Ländertausch ein, aber der Herzog von Pfalz-Zwei¬ 
brücken verwarf ihn und wandte sich an Friedrich II., welcher den 
Vergrößerungspläuen Joseph's II. eine Verbindung der drei prote¬ 
stantischen Kurfürsten unter dem Namen des deutschen Fürsten¬ 
bundes entgegeustellte (1785). Die Kunde von diesem Tauschpro- 
ject brachte in den Niederlanden selbst eine allgemeine Mißstimmung 
hervor und hier fanden Joseph's Reformen offenen Widerstand, da 
die Niederlande unter allen österreichischen Erbländern die größte An¬ 
hänglichkeit an ihre Verfassung und ihre ausgedehnten Rechte hatten. 
Geringe Widersetzlichkeit gegen einzelne Maßregeln, besonders gegen 
seine Neuerungen im Kirchenwefen, bewog den Kaiser (1789) die 
bisherige Verfassung von Brabant nebst allen Privilegien aufzuheben. 
Dies veraulaßte einen allgemeinen Abfall aller Provinzen außer Lu¬ 
xemburg zu derselben Zeit, als Oesterreich in Verbindung mit Ru߬ 
land sich in einen Krieg mit den Türken eingelassen hatte. Joseph's 
Bruder und Nachfolger Leopold II., 1790—1792, beendete den 
Türkenkrieg durch Rückgabe aller gemachten Eroberungen und den 
Aufstand des „vereinigten Belgiens" durch Waffengewalt, aber zu¬ 
gleich durch Herstellung der Verfassung und der Privilegien.
	        
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