fullscreen: Deutsche Geschichte mit Ausblick auf die Nachbarstaaten (Teil 3)

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weckte den Gemeindevorsteher. Dieser forderte den König auf, ihm zur Prüfung 
der Reisepässe in seine Wohnung zu folgen. Die Königin reifte als eine rus¬ 
sische Baronin, der König als ihr Diener. Inzwischen wurden die Sturmglocken 
geläutet, die Nationalgarde aufgeboten, und in einigen Stunden hatten sich Tau¬ 
sende von Bewaffneten versammelt. Diese riefen drohend: „Nach Paris! Nach 
Paris!" Die Nacht verbrachte die königliche Familie im Hause des Gemeinde¬ 
vorstehers. Früh am Morgen erschienen Abgesandte aus Paris, um den König zu 
holen. Da entschloß er sich zur Rückkehr. Die Pariser empfingen ihn mit Ver¬ 
achtung. Keiner nahm den Hut vor ihm ab. An den Straßenecken stand zu lesen: 
„Wer vor dem Könige den Hut abzieht, wird geprügelt; wer ihn grüßt, wird 
gehängt." Die Tuilerien wurden mit einer Wache umstellt, damit der König nicht 
abermals entfliehen könne. Dann wurde er gezwungen, in der Nationalversamm¬ 
lung den Eid auf die neue Verfassung zu leisten. 
4. Einfall des Pöbels in die Tuilerien. Als die Verfassung vollendet 
war, löste sich die Nationalversammlung auf, und eine neue Volksvertretung, die 
„gesetzgebende Versammlung", wurde gewählt. Da die Emigranten, unter 
denen auch die beiden Brüder des Königs waren, in Verdacht standen, aus¬ 
wärtige Mächte zum Einfall in Frankreich zu reizen, so erklärte sie: die Emi¬ 
granten kehren entweder gleich zurück, oder sie werden als Hochverräter angesehen. 
Der König wollte diesen Beschluß und noch einige andere nicht unterzeichnen. Da 
rotteten sich 30—40 000 Mann zusammen, drangen unter Anführung eines 
Brauers, eines Fleischers und eines Goldschmieds in die Tuilerien und forderten 
die Anerkennung der Beschlüsse. Der König blieb standhaft. Doch zwangen sie 
ihn, die rote Jakobinermütze aufzusetzen. (Die Jakobiner waren die schlimmste 
Partei der Aufständischen. Sie hatten ihren Namen von ihrem Versammlungs¬ 
orte, dem Jakobiuerkloster. Als Abzeichen trugen sie rote Mützen.) 
5. Sturz des Königs. 1792 rückten dann die Preußen im Verein mit 
den Österreichern und 12000 französischen Emigranten (S. 190) in Frankreich 
ein, um dem „Advvkatenregiment" ein Ende zu machen. (S. 188.) Das brachte 
den König in Verdacht, mit den fremden Mächten unterhandelt zu haben. Man 
beschloß daher, den „Verräter" vom Throne zn stürzen. Im Angnst 1792 
wurde das Schloß gestürmt. „Nieder mit dem Vielfraß, der jährlich 25 Mil¬ 
lionen verschlingt!" brüllte der Pöbel vor dem Schlosse. Der König flüchtete 
mit seiner Gemahlin in die Nationalversammlung, weil er dort Schutz 
zu finden hoffte. Man wies ihn in die enge Gitterloge eines Zeitungs¬ 
schreibers. Hier mußte er 16 Stunden ausharren und mit anhören, wie man 
ihn seines Amtes entsetzte. Dann führte man ihn als Gefangenen in den „Temple", 
einen alten Gefängnisturm (früher das Ordenshaus der Tempelritter). Dort 
wurden auch seine Gemahlin und seine Kinder untergebracht. 
c. -Sott den Septemöermeheleien öis zur Kinrichlung des Königs. 
1. Die Septembermetzeleien. Nach dem Sturze des Königs brachte der 
schreckliche Danton, ein früherer Advokat, als Justizminister die höchste Gewalt 
an sich. Er führte ein schändliches Regiment. Unter dem Vorwande, daß in 
Paris 80000 Flinten versteckt seien, ließ er von Abgesandten des Stadthauses 
überall Haussuchungen abhalten. Sie fanden nur 8000 Flinten, aber, was 
die Hauptsache war, sie mußten zugleich alle Verdächtigen verhaften. Wer 
noch als Anhänger des Königs, der Kirche oder des Adels galt, wanderte 
ins Gefängnis. Als alle Gefäugniffe gefüllt waren, beschloß man, die Eiuge-
	        
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