Die licinischen Gesetze. 
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aber sagte, wohlgefällig lachend: „Weißt du denn nicht, daß mein 
Mann Kriegstribun ist? Sieh! solche Ehrenbezeigungen genießt 
er alle Tage." Jene ärgerte sich, daß ihr Mann nicht auch zu 
solcher Ehre gelangen könne, und ging verdrießlich und empfind¬ 
lich über den Hochmuth der Schwester nach Hause. Hier saß sie 
Tage lang und weinte, und zuletzt gestand sie ihrem Vater: ihr 
Kummer sei die unglückliche Heirath; denn ihr Mann sei ja nur 
ein Plebejer und könne daher schwerlich hoffen, wie ihrer Schwester 
Gatte, Kriegstribun zu werden. Der Vater tröstete sie, indem 
er versprach, er wollte schon dafür sorgen, daß das anders werde. 
Nun entwarf er mit Licinins und noch einem andern unterneh¬ 
menden Plebejer (Sextius) einen Plan, wie man die Verfassung 
ändern könne. Beide müssen Männer gewesen sein, die ohne 
Furcht vor dem drohenden Widerstande entschlossen waren, ihren 
Standesgenossen, den Plebejern, abznhelfen. Sie meldeten sich 
zu Volkstribunen und wurden es, und nun traten sie gleich mit 
dem Vorschläge ans, daß die Kriegstribunenwürde abgeschafft, 
dagegen wieder zwei Consuln gewählt werden sollten, von denen 
der eine ein Patricier, der andere aber ein Plebejer wäre. Und 
damit das gemeine Volk für diesen Plan gewonnen würde, so 
schlugen sie ferner noch vor, daß zur Erleichterung der armen 
Schuldner künftighin die abgezahlten Zinsen vom Capitale abge¬ 
zogen werden sollten — eine an Solons Lastenerleichterung er¬ 
innernde Maßregel — und daß kein Bürger mehr als 500 Mor¬ 
gen Gemeindelandes besitzen dürfte. Die Ländereien nämlich, 
welche in den Kriegen mit den benachbarten Völkern diesen ab¬ 
genommen worden waren und also eigentlich dem ganzen Volke 
gehörten, hatten die Patricier unter dem Vorwände, eine Pacht 
dafür zahlen zu wollen, an sich gerissen. Die Pacht war aber 
theils sehr unbedeutend, theils wurde sie gar nicht bezahlt, und 
so hatten also die Patricier sich nach und nach in den Besitz fast 
aller Gemeindeäcker gesetzt. Natürlich setzten die Patricier Alles 
daran, diese ihnen so nachtheiligen Gesetze zu Hintertreiben; aber 
die Tribunen waren unbeugsam und neun Jahre lang tobten 
die Parteien gegeneinander. Endlich nahmen die Patricier zu 
dem alten ehrwürdigen Camill ihre Zuflucht, ernannten ihn zum 
Dictator und . baten ihn, durch sein Ansehen die Tribunen und 
das Volk zur Ruhe zu bringen. Aber auch dies half nichts; 
denn Licinins und Sextius waren unermüdlich in ihren Anstren¬ 
gungen, und als eines Tages Camill sich wieder Mühe gab, das
	        
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