40 
Alte Geschichte. 1. Periode. Griechen. 
Gott hatte einst versprochen, ihm einen Wunsch zu gewähren. 
Als llun einst Hippolyt am Ufer des Meeres hinfuhr, erbrausten 
die Wogen; ein schreckliches Ungethüm tauchte auf und stürzte 
auf das Gestade los. Die Pferde wurden scheu, rissen den Wa¬ 
gen eilenden Laufes mit sich fort, und Hippolyt, dem der Zügel 
entfiel, wurde an den Spitzen eines Felsens zerschmettert. Phä- 
dra aber klagte sich, als sie das Schicksal des edlen Jünglings 
erfuhr, als Urheberin an, entdeckte dem Theseus seine Unschuld 
und erhenkte sich aus Verzweiflung. 
12. Amphion, Niobe, Oedipnö. 
In der Stadt des Kadinos, Theben, herrschte noch immer 
dessen Geschlecht. Einer seiner Nachfolger war Amphion, von 
dem die Dichter erzählen, er habe so schöne Töne der Lyra ent¬ 
lockt, daß nicht nur die wilden Thiere seinen Melodien horchten, 
sondern Bäume und Felsen sogar sich regten, und die Steine sich 
von selbst zu den Mauern verbanden, mit denen er Theben um¬ 
geben wollte. Wer verkennt in diesen übertriebenen Vorstellungen 
den schönen Gedanken, daß die Töne der Musik einen hinreißen¬ 
den Eindruck auf das rohe aber unverdorbene Gemüth des Natur¬ 
menschen üben! 
Noch ist seine Frau Niobe, die Tochter des Tantalos, ihres 
großen Unglücks wegen, bekannt. Sie hatte dem Amphion sieben 
Söhne und sieben Töchter geboren. Eine zahlreiche Familie zu 
haben, galt damals, wie noch jetzt bei manchen Völkern, für eine 
besondere Gunst der Götter, sowie unausbleibliche Schande die¬ 
jenigen traf, deren Ehe kinderlos war. Niobe fühlte sich daher so 
glücklich im Besitz ihrer aufblühenden Kinder, daß sie übermüthig 
die Leto (Latona) verachtete, die Mutter des Apollon und 
der Artemis (Diana), weil dieselbe nur zwei Kinder habe. Leto 
beschwerte sich bei ihren Kindern, und diese beschlossen den Tod 
aller vierzehn Kinder der Niobe. Apollon tödtete mit seinen Ge¬ 
schossen die Söhne, und Artemis die Töchter. Ein trefflicher rö¬ 
mischer Dichter, Ovid, der zu der Zeit von Christus Geburt lebte, 
hat uns in rührenden Versen die schöne Mythe erzählt, und schil¬ 
dert mit treffenden Zügen die Angst der unglücklichen Mutter, 
wie sie ein Kind nach dem andern hinsinken sieht, und vergeblich 
um die Erhaltung wenigstens des letzten fleht.*) Zugleich ver- 
'■) S. meine Mythologie S. 161.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.