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Alte Geschichte. 1. Periode. Griechen.
schwangen sich zwei Flügel. Dies Ungethüm weilte auf einem
Felsen, über den alle von und nach Theben Reisende gehen mu߬
ten, und legte Jedem ein Räthsel vor. Wer es nicht rathen
konnte — und Keiner vermochte es — wurde von ihm ausge¬
fressen. Nun kam Oedipus. „Halt!" brüllte es ihm entgegen;
„nicht eher weiter, bis du mein Räthsel errathen hast!" — „Laß
hören!" sprach Oedipus. — „Was ist das: des Morgens geht es
auf Vieren, des Mittags auf Zweien, des Abends auf Dreien."
— „Der Mensch!" rief Oedipus, „denn in der Kindheit kriecht
er auf Händen und Füßen, als Mann geht er aufrecht, und am
Abend des Lebens geht der Greis auf den Stab gestützt." —
„Leider getroffen!" klagte die Sphinx, und aus Verzweiflung stürzte
sie sich den Felsen hinunter.
Run hatte aber Kreon, der Bruder der Jokaste, der damals
an deren Stelle regierte, bekannt gemacht, daß, wer die Sphinx
überwältigte, die Hand der Königin erhalten und König von The¬
ben werden sollte. Sobald also Oedipus nach Theben kam,
strönlte ihm das Volk frohlockend entgegen und begrüßte ihn als
König. Als solcher heirathete er seine Mutter Jokaste. Anfangs
ging Alles gut; endlich aber wurde das Land von einer furcht¬
baren Pest heinlgesucht, und das Orakel, das man befragte, ant¬
wortete, sie würde nicht eher aufhören, bis man die Mörder des
Laws bestrafe. Man forschte nach, und da fand sich denn, daß
der Mann, den Oedipus damals erschlagen hatte, La'tos gewesen
war. Aber daß dieser sein Vater sei, klärte sich erst auf, als
Polybos um dieselbe Zeit starb. Denn da Oedipus um diesen als
seinen Vater trauern wollte, benahm ihm Periböa den Jrrthum.
Nun wurde die ganze Sache genauer untersucht, und mit Entsetzen
fand man, daß das damals vor seiner Geburt schon ausgesprochene
Orakel erfüllt sei. „O wehe mir Unglücklichen!" rief Oedipus;
„wird mich nicht die Erde verschlingen? Ich habe meinen Vater
erschlagen und meine Mutter zur Frau genommen! Wehe mir!',
— Da stach er sich selbst die Augen aus, um das verhaßte Ta¬
geslicht nicht mehr zu schauen; seine Mutter aber gab sich selbst
den Tod. Dann verließ er Theben, um in der Einsamkeit seinem
Schmerze nachzuhängen, und lebte noch lange Jahre in einem
den Furien geweihten Haine in Attika. Alles hatte ihn verlassen;
nur seine treue Tochter Antigone pflegte seiner mit zärtlicher
Liebe und leitete mit sanfter Hand seine Schritte bis in sein
hohes Alter.