Roms Erbauung.
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in der Urzeit eine mächtige Anziehungskraft ausübte. In Oberitalien,
namentlich im apenninischen Gebirge, hausten die abgehärteten Ligurer
und am adriatischen Meere die Veneter. Zwischen ihnen hatten sich die
Tusker festgesetzt, deren Hauptstadt Felsina (Bologna) war. Um das
Jahr 600 v. Ehr. drangen gallische Völker in das Pogebiet vor und be¬
setzten dasselbe. In Mittelitalien wohnten die Tusker (Etrurier, Tyr-
rhener) in zwölf Städten, welche sie mit kpklopischen Mauern umgeben
hatten. Sie waren nach ihrer Weise ein sehr religiöses Volk, das seinen
Götterkult auf das genaueste ausgebildet hatte. Ihre Verfassung war
eine aristokratische; die adeligen Familien waren außerdem auch die
priesterlichen. Die Tusker, ein sehr fleißiges Volk, besaßen große Er¬
fahrung in einzelnen Künsten und Gewerben und trieben einen weit aus¬
gebreiteten Land- und Seehandel. Wie sie ihre Städte in der Poebene
an die Gallier verloren, so konnten sie auch ihren südlichen Ausläufer
in Kampanien nicht behaupten. Denn in Mittelitalien hauste ein sehr
kräftiger Volksstamm, der sabinische oder sabellische, der sich in ver¬
schiedene Zweige theilte: Sabiner, Samniter, Marser, Marruciner,
Veftiner, Peligner, Picentiner, und in den Lucanern bis Unteritalien
reichte. Der ganze Volksstamm zeigte einen kräftigen und edlen Charakter;
die Sabiner waren arbeitsam, froh und genügsam, gehorchten ihren Eltern,
ehrten ihre Götter und hielten eingegangene Versprechungen aufs ge¬
naueste; ihre Tapferkeit und Ausdauer im Felde waren unübertrefflich.
Am Tiber und Anio, in den Vorbergen des Apennin und an der Küste
saß das latinische Volk, dessen dreißig Städte in einen Bund vereinigt
waren und im Haine der Ferentina ihre Bundesversammlungen hielten.
Auch die Latiner waren arbeitsam, tapfer und religiös.
Die Kalabrer, Apulier, Bruttier, Messapier u. s. w. in Unter¬
italien gewannen niemals große Bedeutung, weil ihr ganzes Land an
den Küsten mit griechischen Kolonieen besetzt war; Italien greift über¬
haupt in die Geschicke der Nationen erst durch die Stadt Nom ein, welche
sich alle diese Völkerschaften unterwarf, die manches Jahrhundert ihre
Fehden mit einander in einem sehr beschränkten Gebiete ausgefochteu hatten.
Zweites Kapitel.
Roms Erbauung.
Die Römer erzählen die Erbauung ihrer Stadt, wie sie ihnen aus
einer uralten Dichtung überliefert worden war, also:
In der latinischen Stadt Albalonga wurde der König Numitor
von seinem Bruder Amulius der Herrschaft beraubt und dessen Tochter