Full text: Geschichte des Alterthums für Mittelschulen und zum Selbstunterricht ([Theil] 1)

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Das Reich der Cäsaren. 
Eingebornen bewegte und mischte und die römische Sprache wenigstens 
in den Bezeichnungen für das gewöhnliche Leben und Treiben von dem 
gemeinsten Provinzialen erlernt wurde. Gerade diesen traf aber das 
Schicksal, sechszehn Jahre unter der römischen Fahne zu dienen, am häu¬ 
figsten, und während einer so langen Zeit mußte er römisch werden und 
wäre er vom härtesten Stamme gewesen. 
Brachen die Römer in der Regel schon durch ihre Eroberung die 
physische Stärke einer Nation, durchdrangen sie den Nest derselben durch 
Militär, Kolonieen und das Verkehrsleben mit römischen Elementen, so 
verstanden sie es auch, die fremde Nationalität dadurch aufzulösen, daß 
sie dieselbe zu sich emporhoben, wie sie sich wenigstens ausdrückten. 
Daß der gemeinste Provinziale der Ehre des Legionendienstes und dadurch 
regelmäßig des Bürgerrechts theilhaftig wurde, ist schon gesagt worden; 
der vornehmere erhielt außerdem militärische Würden und bürgerliche 
Auszeichnungen. Selbst auf die vornehme provinziale Zugend erstreckte 
sich die Sorgfalt des Cäsars; sie wurde nach Rom eingeladen und dort 
gebildet, oder wenigstens in die Provinzialstädte gezogen, wo sie in 
römischen Instituten ihre Ausbildung erhielt; der gleiche römische Schrift¬ 
steller, welcher zu seinen Göttern betet, daß die unbezwingbaren Ger¬ 
manen sich fortwährend selber aufreiben möchten, erzählt mit schadenfroher 
Lust, wie die kaum besiegten Britannen ihre Jünglinge aus den vor¬ 
nehmen Familien römisch erziehen ließen und wie sich diese wetteifernd 
römische Bildung aneigneten! Noch tiefer griff aber das römische Ge¬ 
richtswesen in die fremden Nationalitäten ein; der Provinziale wurde 
von römischen Richtern nach römischem Rechte und in römischer Sprache 
gerichtet; der Gerichtsort selbst war ein Municipium, eine Kolonie oder 
Präfektur, das heißt ein römischer Ort; da mußte wohl jeder Provin¬ 
ziale, der als Grundbesitzer, Handwerker, Geschäftsmann u. s. w. an 
dem bürgerlichen Verkehre Antheil hatte, sich nothgedrungen mit der rö¬ 
mischen Sprache und dem Gesetze vertraut machen, wenigstens bis auf 
einen gewissen Grad. Ueberdies bemächtigten sich die Römer des reli¬ 
giösen Lebens der unterworfenen Völker; sie machten die fremden Götter 
zu den ihrigen; entweder fanden sie m einem fremden Gotte einen ihrer 
eigenen wieder, was meistens der Fall war, dann trat der römische 
Kult an die Stelle des einheimischen oder vermischte sich mit demselben, 
oder der fremde Gott wurde als ein neuer in die Reihe der römischen 
ausgenommen, neben denselben verehrt und auf diese Weise der unter¬ 
worfenen Nation entrissen. So eroberte Nom mit der Welt auch deren 
Götter; nur der zu Jerusalem verehrte mußte ihm fremd bleiben, 
weil dieser ausschließliche Anerkennung und Verehrung forderte; das Zu- 
denvolk selbst im römischen Reiche war durch kein Mittel in den römi¬ 
schen Guß einzuschmelzen und zudem den Römern eine ganz verachtete
	        
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