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Dieses Haus behielt der Steinklopfer fast immer im Auge. Wenn 
er müde den Arm sinken ließ mit dem schweren Hammer und eine 
Weile rastete, dann schaute er da hinauf, sah mit Neid und Zähne¬ 
knirschen hinauf, wenn weiß gekleidete, feine Frauen in der schattigen 
Säulenhalle tanzten oder plauderten oder mit feinen Herren aßen 
und tranken, während er in der Sonnenhitze braten mußte. Er schaute 
mit Haß hinauf. Sie aber blickten gelangweilt und gleichgültig auf 
ihn herab, ohne sich um ihn zu kümmern. Da hinauf ging am Morgen 
sein erster Blick, wenn aus dem feinen stillen Hause der Rauch aufstieg 
und die Dienerinnen herauskamen, um Wasser zu holen. Da hinauf 
schickte er am Abend seinen letzten Blick, wenn die feinen Herren und 
Damen am Waldrande unter den schlanken Buchen Arm in Arm auf- 
und abspazierten in der Kühle, während er müde seiner armseligen 
Strohhütte zuhinkte. Er wußte genau, was da oben Tag für Tag 
vorging: alle seine Gedanken drehten sich um dieses Haus, da es 
im weiten Walde für ihn sonst nichts zu sehen gab. 
„Es ist keine Gerechtigkeit mehr auf der Welt!" Mit einem ge¬ 
waltigen Hammerschlag spaltete er einen Kalkstein, warf die Stücke 
zu den anderen auf den Haufen und sah hinauf nach der Sonne. Es 
ging doch schon gegen Mittag, und nichts regte sich heute in dem 
Hause da oben. Die Fenster blieben geschlossen, keine Türe öffnete 
sich, kein Hund bellte, keine Dienerin trat heraus, um singend und 
lachend mit zwei großen roten Krügen Wasser zu holen; kein Rauch¬ 
wölkchen qualmte aus dem Schornstein. Sollten sie alle verreist sein, 
vielleicht während der Nacht? Oder gar — —? 
Jetzt blickte er scharf nach der Straße, wo eine Abteilung römischer 
Soldaten von Norden dahergetrabt kam. Von Zeit zu Zeit hielten 
sie an, streckten die Hälse und blickten hinter sich und lauschten und 
ritten rasch vorbei. 
„Bande!" schrie der Steinklopfer ihnen nach und traf das Pferd 
des letzten Reiters mit einem Feuerstein, daß es sich bäumte. 
Der Soldat beruhigte sein Pferd und ritt zurück. Der Stein¬ 
klopfer sprang über den Graben und verschwand im Walde. Der 
Soldat hörte sein Lachen. Da ritt er den andern nach. 
Der Steinklopfer kam zwischen den Bäumen wieder zurück und 
arbeitete weiter; aber beständig hob er den Kopf. Immer neue Trupp 
von Soldaten kamen, immer größer war die Unordnung; Reiter, 
Fußsoldaten, Militärwagen, Weiber, Kinder, Bauernwagen voll Haus¬ 
rat, jammernde oder schimpfende Bauern, Viehherden, alles ritt, 
fuhr und lief durcheinander. Manche Soldaten trugen den Arm in
	        
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