4 Das Christentum unter den Germanen und Slaven.
die Ostgothen begleiteten Attila auf seinem großen Heerzug nach Gallien,
machten sich aber nach seinem Tode wieder frei und hausten in Pannonien
und Mosten als unruhige Nachbarn des byzantinischen Kaisers.
Kaiser Zeno I. bewog deßwegeu den jungen Ostgothenkönig Theo-
dorich (Dietrich) nach Italien zu ziehen, das Odoaker als König be¬
herrschte, der oströmische Kaiser aber als einen Theil des römischen
Reichs ansprach und den Ostgothen schenkte. Im Herbste 488 brachen
die Gothen auf, warfen die stammverwandten Gepiden, die ihnen den
Weg versperrten, über die Save und Donau zurück und überschritten
im Frühjahre 489 bei Aquileja die italienische Gränze. Am Isonzo
schlugen sie Odoakers Heer in einer heißen Schlacht (April), in einer
zweiten bei Verona (Sept.) und besetzten das Pothal bis Pavia. .Odoa¬
ker hatte unterdessen abermals ein Heer zusammengebracht, verlor aber
eine dritte Schlacht an der Abda (August 490), worauf er sich nach
Ravenna warf und erst im März 493 durch Hunger zur Uebergabe ge-
nöthigt wurde. Er hatte sich Leben, Freiheit und den nächsten Platz nach
Theodorich ausbedungen, dieser ließ ihn aber wortbrüchig bei einem
Gastmahle ermorden und auch seine vornehmsten Kriegöleute nieder¬
machen. Theodorich war jetzt Herr über Italien und wurde von dem
oströmischen Kaiser als König anerkannt. Er hielt Hof zu Ravenna
(im deutschen Heldenliede Raben genannt) oder zu Verona (das von
ihm bei den Deutschen viele Jahrhunderte lang Dietrichsbern hieß), wo
noch Baudenkmale von ihm zeugen, und regierte Italien friedlich und keines¬
wegs nach Art barbarischer Fürsten. Für seine Gothen, deren Anzahl wohl
sehr übertrieben auf 200,000 streitbare Männer angegeben wird, nahm
er das Drittheil der Ländereien in Anspruch, das schon Odoaker den
Römern (Italienern) entrissen hatte. Diese mußten dem Ackerbau, den
Gewerben, dem Handel, der Kunst und Wissenschaft leben, während jene,
auf Ackerbau und Viehzucht beschränkt, den Waffen treu bleiben und
Italiens Heer und Landwehr bilden sollten. Er selbst schätzte Kunst
und Wissenschaft (er hatte als Geisel längere Zeit in Konstantinopel
gelebt), unterstützte die Schulen in Rom und anderen Städten, ver¬
wandte große Summen auf die Erhaltung und Wiederherstellung der
römischen Bauwerke, verschloß aber seinen Gothen den Zugang zu der
höheren römischen Kultur, weil er glaubte, die Schulzucht und die Be¬
schäftigung mit den Wissenschaften schwäche den kriegerischen Geist. Deß-
wegen waren seine Minister und Gesandten meistens Römer, so z. B.
leitete Liberias die Vertheilung der für die Gothen bestimmten Grund¬
stücke, Kassiodor, ein sehr reicher, gebildeter und strengkatholischer Ge¬
schäftsmann, war sein erster Minister oder Reichskanzler; die Civilge-
walt in einer Provinz hatte der römische Praeses, die Militärgewalt
ein Gothe (mit dem römischen Amtsnamen Dux oder dem vornehmeren