Full text: Geschichte des Alterthums für Mittelschulen und zum Selbstunterricht ([Theil] 1)

24 
Das Christenthum unter den Germanen und Slaven. 
ihn vor Gericht vertrat (Vormundschaft, von munäium, Schutz, das 
der Bedeutung nach mit dem lat. manus, Hand, zusammenhängt). Bei 
gemischter Bevölkerung (germanischer und römischer, fränkischer und 
alemannischer rc.) galt allgemein der Grundsatz, daß jeder nach seinem 
nationalen Rechte gerichtet werde von dem ordentlichen Richter. Ueber 
Adelige und Große des Reichs richtete der König mit der Volksver¬ 
sammlung; weil die Gesammtheit der Freien wohl nie beisammen war, 
wenn diese nicht als Heerbann aufgeboten wurden, so bildete sich 
das Recht aus, daß der Adel eigenes Gericht vor dem Könige durch 
seine Standesgenossen erhielt. Das Gericht für die Freien war das 
Gaugericht oder vielmehr (scheint es) das Centgericht. Dasselbe fand 
unter freiem Himmel statt, auf einem Platze (Mahal-, Mahlstätte, 
mallus publicus), der gewöhnlich mit Linden (dem eigentlichen deutschen 
Baume) besetzt war. Das Gericht war entweder das ordentliche (ächtes 
Ding, placitum legitimum), das zu bestimmten Zeiten des Jahrs auf 
der Mahlstätte gehalten wurde und wobei alle Freien des Bezirks zu 
erscheinen hatten, oder ein außerordentliches (gebotenes), das in beson¬ 
deren Fällen zusammengerufen wurde, bei welchem, wenigstens in spä¬ 
terer Zeit, nur die Parteien zu erscheinen hatten. Unter dem Schutze 
des Königs entbot der von ihm bestellte Graf vor das Gericht (er 
hatte den Bann; dies Wort bezeichnet daher später so viel als Ge¬ 
richtsbezirk, dann Strafe, Geldbuße, Acht) und sorgte für die Aus¬ 
führung des Urtheils. Der Graf oder sein Vertreter (missus) führte 
bei dem Gerichte den Vorsitz, das Urtheil fand oder sprach aber nicht 
er selbst, sondern bei einigen Stämmen (Alemannen und Bayer) ein 
von dem Herzog mit Uebereinstimmung der Freien bestellter Richter 
(judex), der ohne Zweifel sich mit kundigen Männern vor dem Aus¬ 
spruche berieth, bei andern (Franken, Burgundern) ein Ausschuß freier 
Männer (Rachinburgen, deputati; die fränkischen Sagibaronen scheinen 
rechtskundige Männer gewesen zu sein, welche von den Urtheilsfindern 
zu Rathe gezogen wurden). Allgemeiner Grundsatz war: wo kein 
Kläger ist, da ist kein Richter; weigerte sich aber ein Verklagter vor 
Gericht zu erscheinen, so kam er in die Acht, er wurde rechtlos oder 
vogelfrei, seine Güter aber verfielen dem König. Den Beweis führte 
man durch Urkunden (selten), durch Zeugen, durch Eid und Eides¬ 
helfer, d. h. durch solche Männer, welche zu dem Eide des Schwören¬ 
den hin noch ihrerseits die Wahrhaftigkeit des Schwörenden beschworen; 
die Zahl der Eideshelfer konnte sich nach der Wichtigkeit der Sache 
von 1—80 steigern (bei den Alemannen). Ein besonderes Beweis¬ 
mittel waren die Ordalien (Gottesurtheile); sie bestanden im Eintauchen 
der Hand in einen Kessel siedenden Wassers (Kesselfang), Durchgang 
zwischen zwei brennenden Holzstößen (Feuerprobe), Hinweggehen über
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.