Full text: Geschichte des Alterthums für Mittelschulen und zum Selbstunterricht ([Theil] 1)

Die osmanischen Türken. 
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Losungswort aller Spahisöhne werden, denn nur durch den Krieg 
kamen sie in den Besitz von Lehen und damit in den Genuß von Reich¬ 
thum und Lust, und wären die Sultane den Grundsätzen Orchans 
und seiner ersten Nachfolger getreu geblieben, so hätten sie Jahr für 
Jahr eine Generation junger Krieger gegen die benachbarten Länder 
loslassen müssen. Orchans Sohn Solyman setzte 1356 über den Helles- 
pont zum erstenmale in der Absicht, in Europa eine dauernde Erobe¬ 
rung zu machen. Ein Erdbeben hatte die Mauern der Städte am 
Hellespont umgeworfen, ein furchtbares Ungewitter tobte, als er Galli- 
poli erstürmte, den Schlüssel des Hellesponts. Immer zogen nun frische 
Schaaren herüber nach Europa; Murad I. (1359—1389) eroberte schon 
die zweite Stadt des byzantinischen Reiches, Adrianopel, 1361, und 
machte es zur Sultanstadt; 1386 fiel auch Thessalonika, die dritte Stadt 
des Reiches, in seine Gewalt und so umspannte er mit seiner Herrschaft 
Konstantinopel in einem weiten Bogen und schnitt es auf der Landseite 
von der Christenheit ab; Murad eroberte auch den größten Theil von 
Vorderasien, indem er die kleinen türkischen Reiche unterwarf. Er ver- 
vollkommnete die von Orchan eingesührten Janitscharen, die bis in die 
neueste Zeit ein gefürchtetes, in früheren Jahrhunderten ein unüberwind¬ 
liches Fußvolk waren. Gefangene Christenknaben wurden vorzugsweise für 
dieses Korps bestimmt; von Zeit zu Zeit wurden auch die Kinder der 
unterworfenen Christen gemustert und die schönsten und stärksten Knaben 
weggenommen; das war gewissermaßen ein Zehnte. Diese wurden nun 
in eigenen Gebäuden, wir wollen sie Kasernen nennen, zum Waffen¬ 
dienste und Chnstenhasse erzogen. Vom Knabenalter an übten sie sich 
in der Führung des Säbels und Feuerrohrs, und lernten Hunger und 
Durst spielend ertragen (wie die Knaben von Lykurgs Spartanern). Sie 
kannten weder Vater noch Mutter, nicht Geschwister oder Verwandte, 
nicht Haus und Heimath — ihnen war das Kriegslager die Heimath, der 
Waffengefährte Bruder und der Sultan Vater, der mit Ehre, Würde und 
Gut lohnte. Ihr Gehorsam gegen den Befehl der Hauptleute, ihre Ord¬ 
nung und strenge Zucht waren unübertrefflich und gaben ihnen ein ent¬ 
schiedenes Uebergewicht über die undisciplinierten Haufen der Christen. 
Murad überfiel 1363 bei Nacht ein Heer Ungarn, Serben, Bosnier 
und Walachen an der Marizza, und vernichtete es; er bedrängte auch 
planmäßig die Bulgaren und Serben immer heftiger. Die Serben waren 
im Anfänge des 11. Jahrhunderts dem byzantinischen Reiche unterthan 
geworden, aber schon nach 50 Jahren erkämpften sie ihre Freiheit wie¬ 
der und breiteten ihr Gebiet über Thrakien und Makedonien aus; ihr Kö¬ 
nig Stephan Duschan (1336 —1359) gebot von Jllyrien bis Make¬ 
donien und Thessalien, und wahrscheinlich hätten sie das byzantinische 
Reich völlig erobert und verjüngt, wenn der Einbruch der Osmanen ein 
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