Full text: H. G. Bohrs Lehrbuch der Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

1100—1517. 
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allein treulos und gewaltsam suchte Philipp IV durch alle Mit¬ 
tel, sowohl den Vasallen als der Kirche gegenüber, die königliche 
Macht zu erweitern und zu befestigen. 
Das von Ludwig IX errichtete Oberappellationsgericht in 
Paris hatte sich eine immer größere Bedeutung verschafft und legte 
den Grund zu der richterlichen Gewalt des Parlamentes in Paris. 
Philipp IV schloß den geistlichen Stand vom Par¬ 
lamente aus; dieser Gerichtshof wurde dergestalt für kurze 
Zeit ausschließlich aus Laien zusammengesetzt, und wurde der 
Krone eine kräftige Stütze, da sie weniger von den Eingriffen 
der Kirche abhängig wurde und die Entscheidung von Rechts¬ 
sachen aus Südfrankreich nun auch nach Paris ziehen konnte. 
Die geistlichen Besitzungen hatten sich in ungeheurem Grade 
durch Geschenke und Vermächtnisse angchäuft; wenn diese Ver¬ 
mehrung der Reichthümcr ohne Beschränkung fortfahren sollte, 
war Gefahr vorhanden, daß die Kirche, welche ihren Besitz nie 
verkaufte oder verschenkte, am Ende die einzigste Besitzerin der 
Ländereien des Reiches würde. Philipp IV legte daher den 
Besitzungen der Kirche eine bedeutende Steuer auf. 
Der Papst Bonifacius VIII (1294 — 1303) ein stren¬ 
ger und herrschsüchtiger Mann, beschloß mit Kraft die alten 
Rechte der Kirche gegen die Angriffe der Laien geltend zu 
machen. Er untersagte daher durch eine Bulle jede Besteuerung 
Geistlicher ohne die Erlaubniß des Papstes. Allein Philipp 
IV berief sowohl aus Nord- wie aus Südfrankreich eine Ver¬ 
sammlung des Adels, der Geistlichkeit und der Bürger, und 
zum erstenmale sammelten sich Frankreichs drei Stände 
in Paris (Allgemeine Ständcvcrsammlung 1302). In dieser 
Versammlung zeigten sich die beiden anderen Stände eifersüchtig 
auf die Macht und die Reichthümcr der Geistlichkeit, Alle fürch¬ 
teten die Verwirrung, welche entstehen würde, wenn man sich 
nicht der Einmischnng des Papstes in weltliche Angelegenheiten 
widersetzc. Auf die französische Nationalversammlung gestützt, 
Bohrs Lehrb. ter Gesch. des Mittelalters. 9
	        
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