1100—1517.
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Der Lehnsadel hatte sich in den pyrenäischen Königreichen
gleichwie in den übrigen europäischen Reichen zu einer Bedeu¬
tung emporgeschwungcn, welche die königliche Macht mit Unter¬
gang bedrohte. Die Vorrechte des Adels waren besonders in
Aragonien bedeutend, wo die Cortes (Stände) mit
Rücksicht auf Gesetzgebung und Steuerbewilligungsrccht eine ent¬
scheidende Stimme hatten. Auch die Städte, deren Gerecht¬
same durch den Kampf mit den Mauren und den Handel auf
dem Mittelmeere sich erweitert hatten. sandten Deputirte zu
den Cortes. Der Huldigungseid enthielt die ausdrückliche
Clausel, daß die Stände nur in soweit den König anerkennten
als er ihre Gerechtsame achten würde. Ein mächtiges Zwischen¬
glied zwischen dem König und den Ständen war der Ober¬
richter (Justitia), welcher Streitigkeiten zwischen dem Adel
und der Krone schlichtete und den höchsten Gerichtshof für die
Beamten des Königs bildete.
Diese Uebermacht des Adels wurde von Ferdinand und
Isabella mit Erfolg bekämpft. Durch eine Verbindung der
castilianischcn Städte (die heilige Hermandad) wurde die
innere Ruhe aufrechterhalten; der König ließ sich zum Gro߬
meister für die mächtigen geistlichen Ritterorden ernennen, und
nun konnte er frei über ihre ungeheuren Besitzungen verfügen,
welche ihm zum Mittel dienten, sich den Adel unterthan zu
machen; er zog die Krongüter ein, welche die Krone in un¬
glücklichen Zeiten hatte verkaufen müssen; er führte die Inqui¬
sition ein, jenes strenge geistliche Gericht und Tribunal, welches
vom Könige, allein abhängig war und seine Thätigkeit nicht nur
gegen Ketzer, heimliche Juden und Mauren, sondern auch gegen die
mächtigen Großen richtete, deren Reichthümer die Furcht oder die
Begierde des Königs erweckten. Auf diese Weise wurde die
Macht des Adels unterdrückt; doch war es vorzugsweise Kasti¬
lien , wo der Adel nachgeben mußte; die aragonischen Stände
Bohrs Lehrb. der Gesetz. des MittelaUers. 11