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Arabern durch die Uebersetzung des Aristoteles in das Arabische; eine
philosophische Literatur schloß sich ihr an, welche die spitzfindige arabische
Theologie mit der neu erfaßten realen griechischen Philosophie zu vereinigen
suchte, und somit dem zu sophistischen Subtilitäten geneigten Sinn der
Araber ein neues, weites Feld eröffnete.
Die Musik wurde innig und fleißig gepflegt und das von dem Ita¬
liener Guido von Arezzo im Ilten Jahrhundert eingeführte Noten¬
system rührt aller Wahrscheinlichkeit nach ursprünglich von den spanischen
Arabern her. Malerei jedoch und Bildhauerei waren ausschließlich der
Baukunst unterthan.
Wenn es vorhin ausgesprochen wurde, daß byzantinische Künstler bei
den sarazenischen Bauwerken zur Hand gingen, so zeigt dies selbstverständ¬
lich den inneren Zusammenhang der sarazenischen mit der byzantinischen
Baukunst an. Wie aber die Baukunst nicht weniger den Umständen als
den geistigen Anlagen eines Volkes, dem Himmelsstrich, unter welchem
es lebt, dem Grund und Boden, welchen es bewohnt, wie seinen übrigen
Gebräuchen und Gewohnheiten angehört, so bildete sich auch die sara¬
zenische Baukunst zu einem ganz eigenthümlichen Styl aus, der an alles
Bisherige erinnert, ohne doch nach irgend einer Seite hin als Nach¬
ahmung zu erscheinen. Die künstlerische Phantasie ergriff die vorhandenen
Formen und benutzte sie mit einer Freiheit, „die nur von dem guten Geschmack,
der sie leitete, übertroffen werden konnte." Man sagt: „Die Sarazenen
bauten wie Riesen, und führten ihre Gebäude aus wie Goldarbeiter."
Spitzbögen, Erker, Zinnen, Minarete, die Arabesken der Wandverzie¬
rungen, Gesimse und Strebepfeiler vereinigten die Kühnheit und Dauer
der Formen mit einer Zartheit und Feinheit des Schmuckwerkes, die den
heutigen Baumeistern als Märchen erscheinen würde, wenn nicht die
Reste solcher Gebäude auf morgen- und abendländischem Boden noch
unerschüttert stünden, der späten Nachwelt ein Wunder, wie Alhambra
bei Granada und die Moschee des Hassan in Kairo.
III. Das Zeitalter Karl s des Großen.
§. 1. Die sriinlischen Major-Domus.
In dem fränkischen Reiche hatten sich unter den schwachen und un¬
fähigen Königen des merovingischen Hauses die Major-Domus oder
Haushofmeister (d. i. Minister) zu einer hohen, erblichen Macht empor¬
geschwungen. Vor allen war der austrasische Major-Domus Pipin
von Landen, der erste eines Geschlechtes, welches sich Stufe für Stufe
zu dem Gipfel königlicher Gewalt erhoben hat. Ihm folgte Pipin von
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