Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

§. 67. Der russische Krieg und die Freiheitskriege. 103 
Napoleons Macht stieg von der Zeit an immer höher und höher. 
Ein Land eroberte er nach dem andern, und seine Brüder und Ver¬ 
wandten machte er zu Fürsten über dieselben. So wurden seine 
Brüder: Ludwig, König von Holland, Hieronymus, König von 
Westphalen, Joseph, König von Spanien, sein Schwager Joachim 
Murat erst Großherzog von Berg und nachher König von Neapel. 
Im Jahre 1810 schied er sich von seiner Gemahlin Jose pH ine, 
heirathete die Tochter Franz des II. von Oestreich, und war nun 
auf dem höchsten Gipfel seiner Macht. Nicht nur Frankreich, sondern 
halb Europa mußte ihm gehorchen. Nur in Spanien stand seine 
Macht noch nicht fest, und England und Rußland konnte er auch 
nicht unterwerfen, während die andern Länder theils zu Frankreich 
wirklich gehörten, theils doch thun mußten, was Napoleon haben 
wollte. Unser deutsches Land hatte damals eine schwere Zeit. Gott 
demüthigte uns tief, um uns aufzuerwecken und zu sich zu ziehen. 
Das deutsche Kaiserthum hatte Napoleon aufgehoben; alle deutschen 
Fürsten mußten ihm gehorchen; das mächtige Oestreich war in dem 
schweren Kriege 1809 um Vieles verkleinert und genöthrgt worden, 
Alles zu thun, was Napoleon wollte. Preußen hatte schon 1807 
nach einem unglücklichen Kriege mit Napoleon die Hälfte seiner Länder 
verloren und 140 Mrll. Franken Kriegskosten bezahlen müssen, so 
daß es ein ohnmächtiges armes Land wurde. Aber Gott hilft dem 
Gedemüthigten. Er gab dem Könige Friedrich Wilhelm III. von 
Preußen ein weises Herz und getreue Diener. So machte der ver¬ 
ständige General Scharnhorst manche Verbesterung im Kriegswesen 
und der treffliche Minister Hardenberg suchte dem Wohl des 
Landes durch viele nützliche Einrichtungen aufzuhelfen. Und alle diese 
Unternehmungen förderte der weise König aus allen Kräften, und die 
Einwohner des Landes fingen wieder an aufzuleben, aber auch flei¬ 
ßiger und sehnsüchtiger nach dem hinzuschauen, der die Trübsal sendet 
und endet. Und Gott endete sie, als seine Absicht erreicht war. 
§• 67. Der russische Krieg und die Freiheitskriege. 
Napoleon herrschte nun vom atlantischen Meere bis an die Gränze 
Rußlands. Aber es verdroß ihn, daß dieses große Reich sich nicht 
auch seinem Willen fügte, darum verbot er dem Kaiser Alexander, 
Handel mit England zu treiben. Das hatte er auch den übrigen 
Fürsten Europa's verboten, denn er wollte dadurch diesen Handels¬ 
staat zu Grunde richten. — Alexander ließ sich das aber nicht ver¬ 
bieten, sondern that, was ihm zum Besten des Landes gut schien. 
Nun erhob sich Napoleon in seinem Uebermuthe. Er wollte Ruß«
	        
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