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statuen der Frauen aus dem Hause des Augustus sich auszeichneten. Wei¬
tere Entdeckungen in Herculanmn zu machen, war eine schwierige Sache,
da das Städtchen Resina über der versunkenen Stadt erbaut ist; doch fand
man schon im Jahre 1711 das große Theater, andere Gegenstände im
Jahre 1736 bei dem Erbauen eines Lustschlosses. Noch immer ist der
größte Theil von Herculanum unter seiner tiefen Decke vergraben, und nur
durch Schachte kann man in die Tiefe der verschütteten Stadt gelangen.
Glücklicher war man mit Pompeji, das bei dem Graben eines Brunnens
1721 aufgefunden und, weil es leichter bedeckt war, ganz offen gelegt wor¬
den ist, so daß das Forum, mehrere Straßen mit schönen Häuserreihen,
ein Bogen des Jupiter-Tempels, der Tempel der Fortuna und die wun¬
derbare Gräberstraße gut erhalten an's Licht getreten sind. Man findet
Straßen mit Lava gepflastert, mit Plattenwegen für die Fußgänger belegt,
reizende Häuser in lieblichem Schmuck glänzender Gemälde, mit Gärten,
kühlen Hallen versehen. Noch ladet das salve (sei mir gegrüßt) auf der
Schwelle zum freundlichen Willkomm. Der ganze Reichthum des Hauses
mit seinen Vasen, Urnen, Lampen, seinem verschiedenen Hausgeräthe, sei¬
nen Bildsäulen, Krügen, mit seinen Frescogemälden an den Wänden, mit
seinem Schmuck und seinen Juwelen führt uns in lebendigster Anschauung
das Leben eines feinen, kunstsinnigen Volkes vor Augen, als sei es von
gestern. Auch Gerippe hat man gesunden in den tief verschlossenen, mit
Asche gefüllten Kellern. An der Thür von einem der größeren Häuser
entdeckte man ein Gerippe, das in der einen Hand ein Bund Schlüssel
und in der anderen einen Beutel mit Geld und geschnittenen Steinen hielt;
neben dem Skelett fand man mehrere Gefäße von Silber und Bronze;
wohl ein Reicher, der sich von seinen Schätzen schwerer noch als vom
Leben trennte.
Mit ernstem und ehrfurchtsvollem Sinne betritt der heutige Wanderer
diese Rä.ime, wo ihn die Dauer selbst am lautesten an die Vergänglichkeit
mahnt. Die alte Welt kommt ihm hier in unmittelbarster Nähe vor die
Augen, und mitten zwischen Vergangenheit und Gegenwart stehend, mag
er den Geist der Geschichte vernehmlich sprechen hören, der in diesen wun¬
dersamen Mauern ein Echo findet, wie kaum irgendwo auf der weiten Erde.
§. 6. Domitian Die guten Kaiser des zweiten
Jahrhnnderts.
Titus' Bruder, Domitian (81—96), erneuerte in den fünfzehn
Jahren seiner Regierung alle Gräuel der Kaiser aus dem Hause der Livia.
Er war ein grausamer, wilder Tyrann und ein feiger Wüstling, dessen
Tinn nur Schmeicheleien, barbarische Schaugepränge und Hinrichtungen
befriedigen konnten. Um sich einen wohlfeilen Heldenruhm zu erwerben,