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die verschiedenen Arten des Wettkampfes, das Stadion, der Hippodrom
für Ringkampf, Wettlauf und Wagenrennen, das Theater, das olympische
Gymnasium, in welchem die Kämpfer sich Monate lang vor dem Beginn
der Spiele einübten. Ein noch größerer Halbkreis umfaßte die hier als
Zuschauer versammelten Völkerschaften, und Olympia war zu gleicher Zeit
der Markt für den Tauschhandel und Geschäftsbetrieb des gesammten
Griechenlands.
Der Preis des Siegers war ein Olivcnkranz, im Tempel des Zeus
von den Kampfrichtern überreicht, vor den Augen des versammelten Vol¬
kes, das höchste Ziel des Ehrgeizes für die hellenische Jugend. Und nicht
nur galt es hier den Ruhm der Körperstärke und Gewandtheit; auch die
Dichter, die Redner, die Sänger, die Gelehrten traten auf und die Erzeug¬
nisse des Geistes und der Kunst wurden nicht minder als die Kraft der
Glieder von dem öffentlichen Urtheil geprüft. Dem Sieger aber ward
fast göttliche Ehre zu Theil. In festlichem Zuge, mit einem Viergespann
weißer Pferde, bekränzt, im königlichen Pnrpurgewande, kehrte er von
Olympia zurück. In seiner Heimath ward ihm festliche Heimkehr bereitet,
Triumphthore erbaut, Statuen errichtet. Chiton, der Spartaner, starb vor
Freude, weil sein Sohn im Wettlauf gesiegt hatte, und zu Diagoras, dessen
beide Söhne Sieger waren, sprach ein Lacedämonier: „Stirb, Diagoras,
du wirst doch nicht gar in den Himmel steigen wollen!"
2. Lykurg (880 v. Chr.).
Der Zweck des griechischen Staates war die Ermöglichung, gut, das
heißt glücklich und würdig, zu leben. „Deshalb", sagten die Griechen,
„kann der Mensch auch nur allein im Staate wahrhaft zum Menschen
werden, denn er ist von Natur aus ihn angewiesen. Die Natur hat
den Einzelnen nicht hervorgebracht, daß er ein für sich bestehendes Wesen,
sondern daß er ein Theil des Ganzen sei." Solche Voraussetzungen mögen
einigermaßen dienlich sein zum Verständniß des hellenischen Staatenlebens,
wie es sich nach seiner charakteristischen Verschiedenheit, vorzugsweise in
den beiden Hauptstaaten Griechenlands, in Sparta und Athen, ent¬
wickelt hat; und zwar ist in dem Ersteren die Idee von dem Aufgehen
des Einzelnen in der Gesaiumtheit nach dorischer Weise mit der strengsten
Rücksichtslosigkeit, und bis zu den äußersten Folgerungen durchgeführt wor¬
den, während es dem weicheren, jonisch-athenischen Charakter gegeben war,
auch der persönlichen Begabung Rechnung zu tragen und mit dem Staats¬
leben zugleich die Elemente der Geistes- und Knnstbildung in sich zu ent¬
falten.
Es bedurfte geraumer Zeit, ehe es den Doriern gelang, ihre Herrschaft
in Lacedämon zu befestigen, und die Natur des Landes mochte ihrem Vor-
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