Full text: [Geschichte des Alterthums] (Theil 1)

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spielst die des Thersites," nahm er eine würdige und großmüthige Hal¬ 
tung an. 
Philipp benutzte seinen Sieg, Athen gegenüber, mit großer Mäßi¬ 
gung. Es ward ein friedliches Uebereinkommen getroffen, durch welches 
der athenische Staat zwar seine Seeherrschaft verlor, jedoch als Gemein¬ 
wesen in ungekränkter Selbstständigkeit verbleiben durfte. Kein macedoni- 
sches Heer sollte Attika betreten, kein macedonisches Schiff den Piräeus 
befahren. Desto schlimmer erging es den weniger mächtigen Bundesge¬ 
nossen. Die böotischen Gemeinden wurden aufgelöst, Theben auf seine 
kleine Feldmark beschränkt und über die Anführer der hellenischen Partei 
ein schweres Blutgericht verhängt. Den Peloponnes, wohin König Phi¬ 
lipp sich alsbald begab, gewann er ohne Schwertstreich. Korinth und Ar- 
gos, die Eleer, Messener und Arkadier begrüßten ihn jubelnd als Erretter 
von dem Druck der Spartaner. Eine allgemeine Tagsatzung aller griechi¬ 
schen Staaten wurde nach Korinth berufen und es gelang Philipp, hier 
eine friedliche Uebereinkunft zwischen ihnen herzustellen, den ersten wirk¬ 
lichen hellenischen Bund, aber — unter macedonischer Oberhoheit. Ein 
Nationalkrieg gegen den persischen Erbfeind wurde zugleich beschlossen und 
Philipps theuerste Wünsche schienen am Ziele. Nie hatte man den König 
fröhlicher gesehen; es schien, als ob nichts seinen heitern Sinn brechen 
könne. Er stand auf der Höhe des Glückes, und in seinem Triumphe 
vergaß er, daß keines Menschen Leben bis an das Ziel seiner Wün¬ 
sche reicht. 
Bei der Vermählung seiner Tochter mit einem Bruder seiner ersten 
verstoßenen Gemahlin, der schönen und schwärmerischen Olhmpias, der 
epirotischen Königstochter und Mutter Alexanders, welche Philipp einst bei 
der Mysterienfeier auf Samothrake kennen lernte und die, voll glühender 
Leidenschaft, dem geheimnißvollen Dienste des Orpheus und Dionysos sich 
ergebend, die wilden Feste der bacchischen Weiber anzuführen pflegte — 
bei dieser Hochzett ward Philipp von dem Dolche eines jungen Leib¬ 
wächters getroffen, den er versäumt hatte, wegen einer Ehrenkränkung in 
Schutz zu nehmen. Er fiel an der Thüre seines eigenen Palastes und 
es sollen bei diesem Morde gleichzeitig die Eifersucht der gekränkten Frau 
und persische Hinterlist thätig gewesen sein. Der Mörder selbst hatte 
nicht Zeit, seine Schuld zu erklären: er ward von den nachsetzenden 
Kriegern im ersten Zorn erschlagen. 
ß. 2. Alexander der Große (336—323). 
„Wessen Leben über die öde Dämmerung der Zeitlichkeit emporsteigt, 
dem ist der Friede des Lebens und der Genuß der Gegenwart versagt, 
und aus ihm lastet das Verhängniß der Zukunft; seine That wird ihm
	        
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