5
ihm keine Schranke, wenn anders wir selbst uns als späte Glieder dieses
alten Urstammes zählen dürfen.
Viel dunkler und unsicherer sind die Nachrichten, welche man über die
Verbreitung der Völker in den ostasiatischen Ländern besitzt. Das große
Kaiserreich China, welches an Flächeninhalt und Bevölkerung unfern
eigenen Erdtheil übertrifft, ist bis jetzt ohne allen Zusammenhang mit der
Bildungsentwickelung der übrigen Völker geblieben, und es ist der neuen
Zeit Vorbehalten, die Probe zu machen, ob noch ein lebendiger Bildungs¬
keim in diesem vertrockneten Organismus sich vorfindet.
So weit die Geschichte zurückreicht, war das Land von einem Volke
mongolischer Abkunft bewohnt. Die ältesten Ueberlieferungen sprechen auch
von einer ursprünglich schwarzen Bevölkerung, welche durch einbrechende
Stämme aus Nordosten verdrängt ward. Es zeigen die alten indischen
Schriften auch hier nach dem Himalajahgebirge hin und berichten, daß die
ältesten Ts chinas (Chinesen) aus Tübet herüber kamen. Solche Andeu¬
tungen sind um so unsicherer und schwankender, als die Chinesen ihre Ge¬
schichte absichtlich in fabelhaftes Dunkel zu hüllen strebten. Daß die späteren
Bewohner des Landes dem mongolischen Stamme der Mandschu angehör¬
ten, ist das Einzige, was man als unwiderlegbar festgestellt hat.
Das chinesische Reich ist die eigentliche Heimath der Bodenkultur. Die
Ebenen prangen von Reis- und Weizenfeldern; die Theestande wird sorg-
fältigst gepflegt und der Seidenwurm spinnt hier seinen köstlichsten Faden.
Es gedeihen alle edlen Baumarten, Citronen, Feigen, Granaten; selbst die
Wüste hat man künstlich bewässert und sie zu gutem Wiesenland umge¬
schaffen. Nachdenken und emsige Arbeitsfähigkeit haben hier eine Art ge¬
werblicher Bildung erzeugt, wie denn der Kompaß, das Schießpulver und
eine Art von Bücherdruck in früher Zeit bei den Chinesen heimisch war,
ihrer Porzellan- und Seidenstoff-Bereitung, ihrer künstlichen Schnitzarbeiten
in Holz und Elfenbein nicht zu gedenken. Alle diese Fertigkeiten jedoch hatten
nie einen andern Zweck als den des äußerlichen Nutzens; es fehlte die
Kraft der geistigen Entwickelung welche die technischen Erfindungen zu
wirklichen Bildungsmitteln erhebt. Das Bestreben, sich gegen jede Einwir¬
kung von außen abzuschließen, scheint seit früher Zeit in China herrschend
gewesen zu sein. Im dritten Jahrhundert v. Chr. hat der Kaiser Schi-
hoang-ti die Riesenmauer erbaut, welche sich an 300 Meilen über Berg
und Thal hinzieht und die nördliche Grenze des Reiches vor jeder Ueber-
schreitung sichern sollte. Die Mauer aber, so hoch und breit sie war,
konnte die Chinesen nicht vor den Einfällen mongolischer Reitervölker
beschützen, die aus den nördlichen Gebirgen herabkamen und sich eine Zeit
lang der Herrschaft des Landes bemächtigten. In Folge solcher Kämpfe
wurden die nördlichen Bergländer, Mongolei, Mandschurei, Klein-
Bucharei allmählig nebst dem nordwestlich angrenzenden Tübet mit
dem chinesischen Reiche vereinigt.
Die innere Geschichte des Landes und seiner verschiedenen und vielfach