114 DaS Geheimerathscollegium.
eröffnete die meisten Sachen, welche schriftlich eingingen, hielt ihm Vortrag
darüber und besorgte die Ausfertigung der Bescheide; er hielt auch die Land¬
tage im Namen des Fürsten ab, erstattete demselben Bericht über die Ver¬
handlungen und ertheilte in Auftrag des Landesherrn alle Befehle und An¬
ordnungen. Meistens handelte er, ohne den Rath Anderer einzuholen, blos
nach Rücksprache mit dem Fürsten und nach eigener Ansicht.
Im Fall einer längeren Abwesenheit des Fürsten war es nun öfter ge¬
schehen, daß zur Besorgung der Geschäfte die Räthe desselben mit anderen
angesehenen Männern aus dem Adel und der hohen Geistlichkeit zu einer Art
Regentschaft oder Geheimerathscollegium vereinigt wurden, welches jedoch
bei der Rückkehr des Landesherrn sich wieder auflöste. Allmälig mochte man
die Vorzüge einer solchen gemeinschaftlichen Behandlung der Geschäfte er¬
kannt haben, nach nnd nach wurde darauf ein um so größeres Gewicht gelegt,
als die Sorgen des Fürsten sich im Laufe der Zeiten immer mehr erweiterten.
In Folge der Reformation war die Macht und das Ansehen der evan¬
gelischen Landesfürsten überhaupt, besonders aber ihr Einfluß auf Regelung
der kirchlichen Dinge und auf Gründung der Schulen bedeutend gestiegen.
Dazu kam, daß das Kriegswesen allmälig eine ganz andere Einrichtung er¬
halten hatte: statt des Aufgebots der Lehensritter und ihrer Reisigen hatte
man sich mehr und mehr gewöhnt, Söldnerheere anzuwerben, und in allen
Staaten wurden bald stehende Truppen gehalten. Hierdurch, wie auch durch
die Zunahme der auswärtigen Verhandlungen in Folge der Religionswirren
und bei dem Herannahen des dreißigjährigen Krieges war die Nothwendigkeit
einer strengen geregelten Landesverwaltung mehr hervorgetreten, uud dieselbe
wurde noch lebhafter empfuuden, als die brandenburgifchen Fürsten ihre Für¬
sorge zugleich dem Herzogthum Preußeu und bald auch der Auwartschaft auf
die jülich-clevesche Erbschaft im westlichen Deutschlaude zuweuden mußten. Die
Häufung wichtiger Geschäfte in den verschiedenen, zum Theil sehr entlegenen
Landestheilen veranlaßte daher den Kurfürsten Joachim Friedrich, ein st e -
hendes Geheimerathscollegium zur schleunigen Bearbeitung der
Geschäfte einzurichten. Die geheimen Räthe sollten des Fürsten Briefwechsel
führen und seine Obliegenheiten gegen das deutsche Reich wahrnehmen; ihrer
Leitung wurden, nach der StiftuugSurkunde, ferner auch die Kammergüter
und die Finanzen untergeben „zur Erhaltung Treu und Glaubens in gehö¬
riger Leistung der Zahlungen" (also zur strengereu Ueberwachuug der regel¬
mäßigen Zahlungen), sodann die Sorge für Gewerbe und Handel, wobei sie
die Bedenken der vornehmsten Städte und der Verständigen aus der Ritter¬
schaft hören sollten, endlich das gesammte Kriegswesen mit Zuziehung der
Obersten und Kriegsverständigen. Das Kirchenwesen dagegen gehörte vor
das Konsistorium, die Rechtspflege unter das Hof- und Kammergericht, in
welchem der Kanzler den Vorsitz führte, der auch die Landtagsverhandlungen
nach wie vor allein leitete. Der Geheimerath hielt nun im kurfürstlichen
Schlosse wöchentlich zwei Sitzungen, in welchen gewöhnlich der Kanzler die
zu berathenden Gegenstände vortrug; doch stand auch jedem Mitgliede frei,
solche zur Sprache zu bringen. Der Vorsitzende unter den Räthen selbst war
der Oberst-Kämmerer. War der Geheimerath in einer Sache einstim¬
mig derselben Ansicht, so pflegte der Kurfürst nach derselben zu handeln;