Full text: Mit einem Stahlstich (Bd. 1)

Die Chinesen. 
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zählen, daß man seine Werke mit Kommentaren, Noten 
und Glossen überschwemmen, daß man sein von Weih¬ 
rauch umduftetcs Bild in jeder Schule aufstetlen, daß 
man ihn den Lehrer für 1000 und aber 1000 Zeitalter 
nennen, vor ihm die Knice beugen, ihm 1560 Tempel 
weihen und von dem Verständnisse seiner Schriften das 
Lcbcnsglück seiner Landsleute abhängig machen werde? 
Denn in der That verhält es sich gegenwärtig so. Vom 
Eintritt in die Elementarschule an werden Kongfutse's 
Schriften Buch für Buch auswendig gelernt, und wenn 
dieß geschehen ist, durch den Lehrer erläutert; hierauf 
muß, wer sich als Literate zu Staatsämtern befähigen 
will, sämmtliche Schriften der Klassiker, vorweg also wie¬ 
der die des Kongfutse, mit den Kommentaren in der 
Hand, gründlich durchstudiren; hienächst folgt eine Prü¬ 
fung in dem Hauptorte des Bezirks, wobei die Themata 
vornämlich aus Kongfutse genommen sind, und es sich 
darum handelt, ob man bei einer höher» Prüfung zuge¬ 
lassen werden könne oder nicht. Wehe dem Armen, der 
die sofort in der Provinzialstadt aufgcgcbncn Fragen, 
ohne Buch, in abgesperrter Zelle, nur ungenügend zu 
beantworten weiß: sein Name steht, falls es glimpflich 
abläuft, mit Spott und Schande an der Stadtmauer zu 
lesen, im schlimmen Falle aber erhält er noch ausserdem 
eine Zurechtweisung mittelst des Bambus. Die in zwei¬ 
ter Stufe Bestandnen versammeln sich endlich je im drit¬ 
ten Jahre zu Peking, wo unter den Augen des Kaisers 
unter vielleicht 6000 Bewerbern nur etwa 500 mit dem 
Grade eines Doktoren beehrt werden. Der Ausgcschloßne 
hat Zeit und Vermögen umsonst an die Studien und die 
damit zusammenhängenden Reisen verwendet: der Auf- 
genommne dagegen wird von seiner Familie hochgeachtet, 
von seiner Vaterstadt mit Ehrenpforten bewillkommt und 
sieht sich die Laufbahn zu den höchsten Aemtcrn im Staate
	        
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