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Drittes Hauptstück.
terlichkeit auf, in welcher Beziehung Enmenes als Reprä-
sentant der mit ihm Lebenden genannt werden mag. Weil
jedoch das Recht für keinen Thronbewerber unbedingt
sprach, und beim Kampfe der Macedonen untereinander
Nationalgefühl und Vaterlandsliebe wenig ins Spiel ka¬
men, so erschien es bei weitem nicht so ehrenrührig als
sonst, die Fahne zu wechseln. Tausende, die vorher als
Söldner bei Darius gedient hatten, oder wegen der Un¬
sicherheit des Besitzes ihr bürgerliches Gewerbe verließen,
schwärmten jetzt unter einem Harpatus, Leosthenes, Po-
lysperchon als Freibeuter herum, reihten dann wieder auf
gutes Glück diesem oder jenem Heere sich ein. Die Folge
hievon war der abenthcuerliche Sinn, welcher hier wie
im Mittelalter als Beigabe ritterhaften Treibens erscheint,
übrigens nicht ohne eine gewisse Feilheit, so daß derjenige
über die meisten Streiter verfügen konnte, der gerade ei¬
nen Griff in die königlichen Schätze gethan hatte. Wo
aber beiderseits gut bezahlte Soldaten fochten, hieng die
Entscheidung lediglich von der Taktik ab, und dieß trieb
stets wieder zur Auffindung neuer Kriegsmittel, weil der
Gebrauch aller schon vvrhandnen den Macedoniern ge¬
meinschaftlich war. Daher Fortschritte in der Kunst, die
Phalanx zu ordnen und die Reiterei anzuwenden, Städte
zu bekriegen und zu vertheidigen, Schiffe zu bauen und
zu lenken. Von den drei Neichen, die mit Anwartschaft
auf längere Dauer aus dem Sturme Hervorgiengen, hatte
jedes in einem andern Betracht seine Stärke: Aegypten
in seiner Abgeschlossenheit, in dem Gewerbfieisse der Be¬
wohner und in der Weisheit des Regenten, Syrien in
dem großen Umfange und in dem unerschöpflichen Neich-
thume seiner Provinzen, Makedonien darin, daß es das
Heimathland der eisernen Krieger war, ohne die weder
das Reich der Ptolemäer noch das der Seleuciden beste¬
hen konnte; denn der Plan, eingeübte Asiaten unter den