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Josephs II. mit Katharina II. zu Cherson 1787, rief zum erstenmale eine europäische
Intervention zu Gunsten der Türkei hervor: Preußen, Schweden und England sicherten
der Pforte ihren Beistand gegen Rußland und Österreich zu. Als der Krieg uach
anfänglichen Mißerfolgen Österreichs zur Eroberung Belgrads durch Laudon (1789)
führte, schloß Preußen ein Bündnis mit der Türkei (Januar 1790). Aber nach dem
Tod Josephs II- wußte Leopold II., bis dahin Großherzog vou Toskana, den König
von Preußeu versöhnlich zu stimmen, indem er die im Krieg gemachten Eroberungen
ein die Türkei zurückgab (mit Ausnahme von Alt - Orsowa). Auch die Bewegung in
den Niederlanden brachte Leopold durch Waffengewalt und kluge Nachgiebigkeit (teil-
weise Wiederherstellung der belgischen Sonderrechte) zum Stillstand.
6. Die deutsche Bildung im Zeitalter Friedrichs des
Großen. In die Zeit von der Thronbesteigung Friedrichs II. bis zum Aus¬
bruch der französischen Revolution füllt ein großer Aufschwung des deutschen
Geisteslebens. Das gemeinsame Gepräge dieser Bewegung ist eine edlere
Auffassung des Menschentums ohne Rücksicht auf soziale und nationale
Schranken: Humanität und Weltbürgertum (Kosmopolitismus).
a) Der Dichtkunst gab der Schweizer Albrecht v. Haller (t 1777) einen
würdigen Inhalt; Gottsched (f 1766), Geliert (f 1769) und Gleim (f 1803)
zeigten verschiedene Wege zur Verbesserung der deutschen Literatur. Die Vollendung
derselben nach Form und Inhalt wurde angebahnt durch Klopftock (1724—1803),
Lessing(1729—81) und Wieland (1733—1813), erreicht durch Herder (1744—1803),
Goethe (1749—1832) und Schiller (1759—1805), deren Ansänge in der sog.
„Sturm- und Drangperiode" liegen, deren Wirkung sich aber aus die ganze Folge¬
zeit erstreckt.
b) Neben die großen Leistungen der Poesie trat eine hohe Blüte der Tonkunst.
Schon durch Joh. Seb. 33 ach (t 1750) und Händel (t 1759 in England) war eine
Vertiefung des Inhaltes und Bereicherung der musikalischen Formen erzielt worden;
durch Gluck (t 1787) wurde das Musikdrama geschaffen, durch die Österreicher1
Haydn tt 1Z09) und Mozart (f 1791) die höchste Ausbildung der Melodie, durch
Beethoven (f 1827) der größte Reichtum der Instrumentalmusik erreicht.
c) In der bildenden Kunst kehrte man, nachdem Winckelmann (f 1768) in der ein¬
fachen Größe das Wesen der alten Kunst erkannt hatte, zur Nachahmung der Antike
zurück (der Maler Rafael Mengs t 1779'-).
d) Von den Wissenschaften erfuhr die Philosophie durch den Königsberger
Professor Immanuel Kant (1724—1804) eine grundsätzliche Erneuerung: er prüfte in
der „Kritik der reinen Vernunft" das Erkenntnisvermögen, in der „Kritik der prak¬
tischen Vernunft" das Begehrungsvermögen, in der „Kritik der Urteilskraft" das Ge-
1 Fast alle habsburgischen Kaiser von Ferdinand I. bis Joseph II. hatten eine Vor¬
liebe für Musik.
2 Die aus Goethes Werken bekannten Namen Hackert (f 1806) und Angelika Kauf¬
mann bezeichnen keinen hohen Stand der deutschen Kunst, aber ein tüchtiges Streben nach
Vervollkommnung derselben.