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Philosophie. 
und Unglück, Vergnügen und Schmerz, als welche fremd sind dem 
selbstständigen Wertste des Menschen, seinem freien Willen und 
seiner moralischen Kraft. Auch gibt cs nur eine Tugend, die all¬ 
gemeine Gesinnung des Rechtthuns, und gleichwie bei dem Gera¬ 
den oder bei der Wahrheit kein Mehr oder Minder Ptaz greift, 
und was im Geringsten davon abweicht, allsogleich krumm und un¬ 
wahr ist, also ist auch die Tugend entweder ganz oder keine. 
Dagegen hielt Epiknr die Glückseligkeit für die Aufgabe 
des Weisen. Sich nach Möglichkeit Vergnügen schaffen und dem 
Schmerz entsiichen, heißt weise seyn. Die Summe des Glückes 
aber bestehet in der Gesundheit des Körpers und der Seele. 
Daher machen sinnliche Genüsse, selbst die feineren und edleren, 
dasselbe nicht ans. Ruhe des Gemüths gehört dazu, Freiheit von 
Leidenschaften, Mäßigung, das süße Wohlwollen und vor Allem die 
Seligkeit eines reinen Bewußtseins. 
Bei so widerstreitenden Grundsäzen scheint befremdlich, daß in 
den Resultaten und in der wirklichen Ausübung zwischen beiden Phi¬ 
losophen so viele Uebereinstimmnng herrschte. Epiknr war tugend¬ 
haft und Zeno vergnügt; dieselben Handlungen rmd Handlungs¬ 
weisen wurden von Beiden gebilligt oder getadelt. Ohne es zu wol¬ 
len, beförderte Zeno durch seine moralischen Vorschriften das Glück 
der Menschen; und Epikur huldigte der Tugend, indem er ihre 
Sanktion — das S elbstbewnßtseyn — anerkannte. Wohl unse¬ 
rem Geschlechte, daß die Erkenntniß der Pflicht und die Stimme 
des Gewissens unabhängig sind von den Systemen der Schule! 
Auch in der spekulativen Lehre waren Epiknr und Zeno ge¬ 
trennt. Ein höchster, allgegenwärtiger Geist, so erkannte Dieser, 
beseelt und beherrscht die Welt. Die Seelen der Menschen sind Aus¬ 
flüsse desselben; Wiedervereinigung mit ihm steht jener des Weisen 
bevor, wenn sie in ursprünglicher Reinigkeit sich erhalten. Epiknr 
(so wie er Aristipp's praktische Lehre verschönte) bildete das theo¬ 
retische System von Demokrit ans. Er sah in der Welt Nichts, 
als Atomen und wechselnde Verbindungen derselben nach nothwendi- 
gcn Gesezen. Auch die Seele war ihm solch eine vorübergehende Ver¬ 
bindung — sie zerfließt in dem Momente des Todes, in dem Meere der 
Atomen. Die Götter längnete er mit Worten nicht: aber da er ihnen 
nur ein unthätiges Daseyn in seliger Ruhe zuschrieb, ohne Zu¬ 
sammenhang mit der übrigen Welt, ohne Sorge um unser Geschlecht; 
so wurden sie überflüssig und für das Bchürfniß der Menschen so viel, 
als gar nicht vorhanden. 
Auf dem glatten, mit Phantomen umgebenen Wege der epiknräi- 
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