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Lärm war der kranke Greis schnell aufgestanden; man fand ihn
an die Wand gelehnt. „Bist du Coligny?" schrie Besme,
ein junger Offizier, ihn an. „Ich bin es," sprach der Ad¬
miral, „aber du, junger Mann, habe Ehrfurcht vor diesen
grauen Haaren!" — Ein Stoß mit dem Degen war die Ant¬
wort, viele Hiebe und Stiche folgten nach; ein anderer Mörder
schoß ihm eine Kugel in den Leib. Dann stürzten sie den zer¬
fleischten Leichnam zum Fenster hinaus auf die Straße.
Alsbald begann auch das Morden in den Straßen. Die
Glocke des Palastes gab den Parisern, die durch vorher aus¬
gestreute Gerüchte von Verschwörungen der Hugenotten waren
aufgereizt worden, das Zeichen zur Ermordung der anwesenden
Hugenotten. Ein weißes Tuch um den Linken Arm und ein
weißes Kreuz vor dem Hut hatten sie als äußere Merkzeichen
gewählt, an welchen sie sich einander kennen könnten. Aufge¬
schreckt durch den plötzlichen Lärm stürzten die Hugenotten aus
den Häusern und fielen so ihren Feinden in die Hände. Von
allen Seiten ertönte das Brüllen der Mörder, das Schreien
und Flehen der Verfolgten, das Winseln der Sterbenden,
dazwischen das Knallen der Gewehre und das Geklirre der
Schwerter. Kein Geschlecht, kein Alter, kein Stand fand Gnade.
Der Marschall Tavannes ranme von Wuth entbrannt durch
die Straßen und schrie unaufhörlich: „Lasset Ader, Bürger,
es ist im August so heilsam als im Mai!" Von den Straßen
drang man in die Häuser und setzte hier das entsetzliche
Gewürge fort.
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Ueber dem blutigen Gemetzel stieg die Sonne empor und
beleuchtete die Gräuel der verwichenen Nacht. Ueberall lagen
die Leichen in den Straßen umher, viele auch wurden aus
den Fenstern gestürzt und durch die Straßen nach der Seine
geschleppt. Noch zwei schreckliche Tage hindurch währte das
Gemetzel. Dann durchzog Karl mit seinen Höflingen wie im
Triumphe die leichenerfüllten Straßen. Auch Colignp's Leich¬
nam fand er; der wüthende Pöbel hatte ihn auf alle Art be¬