Object: Preußens Geschichte in Wort und Bild

86 Die Elbe und ihre Ufer von Hamburg bis zur Mündung. 
mit sechs großen Silberknöpfen, und ist vorn offen, um das „Rodur" blicken 
zu lassen, ein breites, den Busen bedeckendes Stück Goldbrokat. Bei diesem 
Schwarz und Gold nimmt sich der kurze, faltige Rock vom schönsten kirschroten 
Tuche, die feine weiße Spitzenschürze darüber und die dicke, oft 3 —4 in lange 
Silberkette um die Taille malerisch aus. 
Neigt sich der Hochzeitstag zu Ende, so beginnt der altertümliche Ehren- 
tanz, zu welchem Braut und Bräutigam ihre liebsten Bekannten als Tänzer 
wählen. Es ist dies gleichsam ein Abschiedstanz, ein Tanz, mit dem sie der 
freien, frischen Jugendlust lebewohl sagen. Sodann setzt sich die Braut oben 
an die Tafel und breitet ein feines, weißes Tuch aus ihrem Schöße aus, worauf 
die Musik spielt: „Nu gewt de Gaw", eine alte Landesweise, und jeder eilt hin, 
der jungen Frau die Hochzeitsgabe, ein Geschenk an Geld oder Silberzeug, zu 
reichen. Sie nimmt alles in das Tuch zusammen und der Bräutigam handelt 
es ihr herkömmlicherweise zum Scherz ab. Oft kommen 1000—1500 Mark 
dabei zusammen. — Dies sind die Hochzeitsgebräuche der Altländer, doch auch 
hier beginnt die alles nivellierende Macht der Gegenwart aufzuräumen. 
Land Kehdlllgen und die Kehdinger. Nördlich von dem „alten Lande", 
zwischen Schwinge und Oste, erstreckt sich längs der Elbe das Land Kehdingen, 
das zu den fruchtbarsten aller Marschen zählt, welche an den Usern der Elbe, 
Weser und Ems oder in Holland sich ausdehnen. Es gibt kaum eine Land- 
schast, die in schöner Frühlings- und Sommerzeit solch ein Bild mächtiger 
Fülle und Üppigkeit darbietet, nur wenige, deren Bewohner seit uralten Zeiten 
in Sturm und Wechsel der Jahrhunderte so viele Freiheiten und Rechte und 
eine so straffe Selbständigkeit und Unabhängigkeit in der Verwaltung sich er- 
rungen und zu behaupten versucht haben, als das Land Kehdingen. 
Die glücklichen Bewohner dieses herrlichen Landstrichs verleugnen ihre 
niedersächsische Abstammung durchaus nicht. Das friesische Phlegma geht ihnen 
gänzlich ab, ebenso das zähe Festhalten an alten Sitten, Gewohnheiten und 
Vorurteilen; hier herrscht vielmehr ein gewisses Streben nach Fortschritt, ver- 
Kunden mit einer unverkennbaren Vorliebe für Luxus, Prunk und Sitte mo- 
dernen Lebens, so daß jetzt schon mit dem gesunden und kräftigen Bauerntum 
sich viel Städtisches zu einem harmonischen Ganzen verschmolzen hat. 
Was nun das Land selber betrifft, so ist ganz Kehdingen im Sommer ein 
herrlich wogendes Saatenmeer. Ringsumher erblickt man goldgelbe Rapsfelder, 
köstliche Weizenäcker und saftiggrüne Roggenfluren, deren einzelne gewölbte 
Ackerstücke von ungeheurer Länge durch Gräben voneinander getrennt sind. 
Der überaus fruchtbare Boden ist vermöge seiner vielen Kalkteilchen von heller 
Farbe und mit alten Lagern und Bänken von allerhand Infusorien, Krusten- 
tieren, verwitterten Muscheln u. s. w. durchzogen. In den einzelnen Dörfern, 
die um die in baulicher oder historischer Hinsicht meist wenig allgemeines In- 
teresse erweckenden Kirchen gruppiert sind, wohnen meistens nur Handwerker, 
Krämer, Wirte und Tagelöhner, während die großen Höfe fast immer einzeln 
zwischen den Saatenwogen, umgeben von ihren Ländereien und Gebäuden 
liegen, und da fast jeder Hof mit einem reichen Baumwuchs umgrüut ist, er- 
scheint auf den ersten Blick das ganze Land von schönem Gehölz durchzogen.
	        
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