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uev Gewalt. Die Guillotinen waren Tag für Tag in ihrer
gräßlichen Arbeit und mußten wegen des großen aufdampfen¬
den Vlutsumpfes wiederholt ihren Standort wechseln. Selbst
eine mitleidsvolle Thräne bei der Verurteilung eines theuren
Angehörigen galt schon als Hochverrath und ward mit dem
Tode bestraft. Marat äußerteeinst im Convente: nach seiner
Berechnung müßten noch 300,000 Köpfe fallen, bevor an die
Rettung der guten Republik zu denken sei! Aber mitten unter
seiner blutigen Berechnung ward der Unmensch selbst ein Opfer
des Todes. Ein Mädchen aus Caen in der Normandie,
Charlotte Corday, ging, in dem Wahne, ein gottgefälli¬
ges Werk zu thun, wenn sie ihr Vaterland von einem Ty¬
rannen befreie, nach Paris und kaufte dort einen Dolch, den
sie in Marat's Brust stoßen wollte. Unter dem Vorwände,
Sachen von Wichtigkeit entdecken zu müssen, erhielt sie am
13. Juli 1793 Zutritt. Sie nannte ihm mehrere nach Caen
geflüchtete Deputirte, deren Namen er sich aufschrieb. „Und
was wird das Schicksal dieser Männer sein?" fragte sie. „Es
sind Verschworene," war die Antwort, „die alle ihren Lohn
auf dem Blutgerüste bekommen sollen." — „Da hast Du den
Deinen!" sagte sie und entweihte ihre reine jungfräuliche Hand
durch Meuchelmord an einem Verworfenen, den Gott ohne sie
gerichtet hätte. Mit dem Schrei: „Mir das!" sank er au¬
genblicklich todt zu Boden. Sie aber ließ sich ruhig verhaften
und empfing vier Tage nachher mit heiterer Ergebung den
Todesstrcich. Doch Marat's Tod änderte nichts in der Sache;
Nobespierre triumphirte sogar, einen Nebenbuhler weniger
zu haben.
Der Zustand Frankreichs erschien nunmehr verzweiflungs¬
voll. Seine siegreichen Feldherren verließen es. Dumouriez
ging zu den Oesterreichern über. Lafayette war schon früher,
vor der Hinrichtung des Königes, ausgewandert. Ueberzeugt,
daß er den Sturm, der damals wüthete, nicht mehr bezwin¬
gen könne, hatte er beschlossen, zu seinen alten Freunden in
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