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Oesterreich, dann auch über ganz Deutschland einbrachen. Fer¬
dinand, des Kaisers Bruder, hatte mit seinen neuen Kronen
eine schwere Aufgabe übernommen. In Böhmen wurden seine
Kronansprüche sogleich einstimmig anerkannt. In Ungarn da¬
gegen wußte der ehrgeizige Johann von Züpolya, Graf von
Zips und Woiwod oder Statthalter von Siebenbürgen, eine
große Partei für sich zu gewinnen und ließ sich von dieser
widerrechtlich zum Könige ausrufen. Aber der bei weitem größte
Theil des Landes war für seinen rechtmäßigen König Ferdi¬
nand, und durch Siege und Verträge fiel diesem auch bald
die ganze Staatsgewalt in Ungarn zu.
Die benachbarten Türken hatten sich schon längst das
gesegnete Ungarn zu ihrer Beute ausersehen. Und jetzt war
Zapolya gewissenlos genug, die Erzfeinde seines Vaterlandes
und der ganzen Christenheit zu Hülfe zu rufen. Da drang
der türkische Sultan, So lim an 11., mit einem mächtigen
Heere in Ungarn ein, eroberte Ofen, Gran, Raab re. und stand
gegen Ende Septembers 1529 zum ersten Male vor den Thoren
Wiens. Die Janitscharen brannten vor Eifer, den Halbmond
auf den Zinnen der Residenzstadt aufzupflanzen und die St.
Stephanskirche in eine Moschee zu verwandeln. Der Kaiser
konnte nicht helfen, weil er schon in andere auswärtige Kriege
verwickelt war; die protestantischen Fürsten aber wollten nicht
helfen, so lange ihnen nicht vollständige Religionsfreiheit be¬
willigt sei, so dringend auch der Kaiser noch auf dem letzten
Augsburger Reichstage dieselben um Hülfsleiftung gebeten hatte.
Da sammelte Ferdinand selbst zu Prag ein Heer, um seiner
hart bedrängten Stadt zu Hülfe zu eilen. Sie bedurfte dieser
aber nicht mehr. Die Besatzung selbst hatte fort und fort den
heldenmüthigsten Widerstand geleistet, so daß der Feind in der
Nacht vom 14. auf den 15. Oktober eiligst wieder abzog. So
blieb Wien die Ehre, unter den deutschen Städten die erste
gewesen zu sein, welche der Macht des allgefürchteten Christen¬
feindes siegreich widerstanden hatte.